T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
Kinderzimmer.
Vor seiner Tür blieb sie stehen und hörte ihn schluchzen. »Mein Schatz«, sagte sie. Ihre Stimme überschlug sich, ihr Herz machte einen Sprung bei dem Gedanken daran, ihn wiederzusehen. Es war so lange her, so verdammt lange … Sie drehte den Türknauf.
Nichts.
Noch einmal umschloss sie mit den Fingern den Glasknauf und drehte mit aller Kraft, doch der Knauf ließ sich nicht drehen.
»Noah?«
O Gott, hatte er etwa aufgehört, nach ihr zu rufen? »Mommy ist hier, auf der anderen Seite der Tür. Du hast doch nicht etwa abgesperrt, mein Süßer?«
Durch die Tür hörte sie sein Schluchzen.
Ihr Herz zersprang in eine Million Scherben.
»Ich komme!« Sie schloss die Augen, umfasste den Knauf mit beiden Händen, drehte und warf sich gegen die Tür.
Der Glasknauf löste sich, zerbrach und schnitt in ihre Handflächen und Finger.
»Noah?«, rief sie und hörte ihn leise wimmern.
Durch das Loch, wo zuvor der Knauf gewesen war, spähte sie ins Zimmer ihres Sohnes. Alles war still, nur das Mobile über dem Gitterbettchen drehte sich, spielte leise sein Wiegenlied. Das kleine Seepferdchen und der Krebs schienen sie auszulachen, und tief im Innern wurde ihr klar, dass ihr Sohn erneut verschwunden war.
Ihre Beine gaben nach, und sie sackte auf den Fußboden, ein zitterndes Häuflein aus Elend und Verzweiflung.
»Noah«, flüsterte sie gebrochen. Ihre Tränen vermischten sich mit dem Blut, das von ihren zerschnittenen Händen tropfte.
»Wo bist du?
Wo?
«
»Ava!«, unterbrach Wyatts scharfe Stimme ihr Schluchzen. »Ava! Wach auf!«
Starke Finger schlossen sich um ihre Schultern. Ava blinzelte gegen das Sonnenlicht, das durch die Fenster hereinfiel. Wyatt beugte sich über ihr Bett und schüttelte sie sanft.
»Was ist denn?«, fragte sie flüsternd, dann setzte sie sich auf und lehnte sich gegen die Kissen am Kopfende, rückte weg von ihm. Der Traum hing ihr nach. Wie real er gewesen war! Sie blickte auf ihre Hände, doch sie waren unversehrt. Ein Traum. Wieder einmal nur ein Traum.
Ava strich sich das Haar aus dem Gesicht und versuchte, sich zu fassen. So schrecklich es auch gewesen war, nicht in das Zimmer ihres Sohnes zu gelangen, so war er in dem Traum zumindest am Leben gewesen.
»Alles in Ordnung?«, fragte ihr Mann.
Sie warf ihm einen scharfen Blick zu. Schon wieder diese verdammte Frage!
»Du hattest einen Alptraum. Hast geschrien. Ich dachte, es wäre besser, dich zu wecken.«
Sie schloss die Augen. Alles hatte so real gewirkt. Wenn sie sich anstrengte, konnte sie immer noch Noahs klagendes, verängstigtes Stimmchen hören.
Plötzlich vernahm sie das Surren von Jewel-Annes Rollstuhl und riss abrupt die Augen auf. Jetzt sah sie, dass die Zimmertür aufstand. Jewel-Anne und Demetria waren auf der Galerie stehen geblieben und spähten neugierig herein. Ava warf der Pflegerin einen verärgerten Blick zu, die ihren Schützling daraufhin rasch außer Sichtweite bugsierte.
»Ein bisschen Privatsphäre wäre nicht schlecht!«, sagte Ava.
Wyatt umrundete bereits das Fußende des Bettes. »Tut mir leid. Ich habe dich schreien gehört und bin reingestürmt, um zu sehen, ob es dir gutgeht. Dabei habe ich offensichtlich nicht daran gedacht, die Tür hinter mir zu schließen.« Nachdem er die Tür behutsam zugeschoben hatte, lehnte er sich dagegen und betrachtete Ava mit besorgtem Blick. Sie zog die Bettdecke ans Kinn.
»Ich habe schon oft schlecht geträumt. Sehr oft«, sagte sie mit unsicherer Stimme. Innerlich zitternd drängte sie die aufsteigende Panik zurück. Vielleicht hatten die anderen ja recht. Vielleicht drehte sie wirklich durch.
»Hast du im Gästezimmer geschlafen?«, fragte sie, um ein normales Gespräch bemüht.
»Nein, ich bin erst heute Morgen zurückgekommen. Ian hat mich mitgenommen. Hast du meine SMS nicht bekommen?«
»Nein … ich …« Ava warf einen Blick auf ihr Handy, das auf dem Nachttisch lag. Offenbar hatte sie es ausgeschaltet. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie am Computer gearbeitet hatte, bis sie eingeschlafen war. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihren Laptop herunterzufahren, sondern hatte ihn einfach im Sleepmodus auf dem leeren Bett neben ihrem stehen lassen. Dort stand er noch, der Bildschirm schwarz, doch das bedeutete nicht zwangsläufig, dass sich niemand daran zu schaffen gemacht und festgestellt hatte, dass sie versuchte, die Nacht von Noahs Verschwinden zu rekonstruieren. Man musste schließlich nur eine Taste drücken, und der Computer
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