Tablettenfee
Pärchen, na prima. Udo hatte nichts gegen Männer vom anderen Ufer. Im Gegenteil – so einer hatte ihm noch nie ein Mädchen ausgespannt. Auf den Schock hin erkundigte er sich bei Bianca, ob denn genug Kaffee für alle da wäre. Es war ihm momentan auch nach einem Schluck.
Die nächsten Minuten waren wieder geprägt von Schweigen, neuerlichem trivialem La-La und peinlichen Blicken. Kurz sprach man auch noch einmal über das Wetter der letzten Tage. Als die Kaffeemaschine den letzten Tropfen der nächsten Kaffeelieferung durch ihre erhitzten Leitungen röchelte, schienen alle ein wenig aufzuatmen.
Bianca eilte herbei und brachte der Hausmeisterin eine weitere Tasse. Udo schenkte sich seine selbst ein und Bianca folgte mit ihrer wenige Sekunden später.
»Wollen Sie Kekse dazu?«
»Aber nein, mein Kind – ich möchte keine Umstände machen …«
›Ritsch!‹
Da hatte Bianca schon eine Packung Kekse geöffnet und in einer hübschen Schale auf den Tisch serviert. Wow!
Udo war baff, wo kamen die Kekse her? Sie schien wirklich mehr Begabungen zu haben, als Udo bisher vornehmlich unter der Bettdecke entdeckt hatte. Es war wirklich angenehm.
Gleichzeitig aber hatte Udo zum ersten Mal das Gefühl, hier wirklich zu wohnen und nicht nur zu hausen. Er war froh, dass alles doch noch so friedlich zu verlaufen schien. Genau in diesem Moment von Wohlbefinden passierte es. Die Hausmeisterin ergriff die Hand seiner Freundin.
»Ach, mein Kind, jetzt haben wir schon so viel zusammen geplaudert und ich habe Sie noch gar nicht gefragt, wie Sie heißen.«
›Fuck! Nein! Nicht!‹
Hatte er Bianca die Geschichte mit den Blumen schon erzählt? Udo befürchtete, dass er es nicht getan hat.
»Bianca!«
Freudestrahlend streckte die Krankenschwester ihre Hand in Richtung Hausmeisterin.
›Brffft!‹ Udo spuckte seinen Kaffee zurück in die Schale. ›Scheiße!‹
»Tschuldige, ich glaube, ich habe mich verhört. Wie sagten Sie,
dass Sie heißen?«
Unsicher und zaghaft bestätigte Bianca ihren Namen mit einer Wiederholung desselben.
Die Hausmeisterin drehte den Kopf wie in Zeitlupe zu Udo.
Ein tötender Blick durchbohrte ihn.
»Na, das erklärt einiges. Finden Sie nicht auch, Herr Weikert?«
Der Ton der Stimme der Hausmeisterin hatte sich gravierend verändert. Udo war diese Veränderung nicht unbemerkt geblieben und daher hatte er spontan entschlossen, sich so dumm wie nur möglich zu stellen.
»Hä?«
»Na, der Name. B-I-A-N-C-A.«
»Wie meinen …?« Udo schlürfte den Schluck von vorhin wieder aus der Tasse. Zwar widerte es ihn dabei ein bisschen an, aber immer noch besser, als im Moment Blickkontakt zu wahren.
»Na, neulich – am Samstag. Sie wissen schon … die Blumen!«
»Äh ... nein.« Er blieb standhaft – immer noch seinen Blick in die Tasse vertieft. Die Hausmeisterin schnaubte wie ein Stier, aber verstummte.
Sie sah ihn an. Das merkte er. Er hob den Blick und sah zurück.
Sie fixierte ihn. Er hielt den Blickkontakt.
Die Hausmeisterin erhob erneut ihre Stimme.
»Also, ich hätte schon gedacht …«
Da, erste Momente der Unsicherheit bei der Hausmeisterin.
Udo musste diesen Moment der Schwäche nutzen.
»Ach so. Haha. Sie meinen …« Entgeistert zeigte er auf sich selbst und setzte ein verzweifeltes Lachen auf.
»… Sie meinen, dass ICH das war, der Ihre Blumen ausgerissen hat?«
Die Hausmeisterin starrte ihn nur an. Auch Bianca starrte entgeistert, denn die Konversation der letzen Minuten schien einen Geheimcode zu beherbergen.
»Wie kommen Sie auf so etwas!?«
»Na, dieser jemand hat doch damit einen Namen geschrieben – Bianca!«
Udo blies weiter zum Gegenangriff.
»Entschuldigung, werte Frau, aber eines müssen Sie nun schon eingestehen. Für heute reicht es, denke ich! Denn abgesehen davon, dass es sicher mehr als eine Bianca hier in der Stadt gibt – haben Sie mich heute bereits als schwul – und jetzt eben als Ihren Blumenkiller hingestellt!«
Schamesröte stieg ihr ins Gesicht. ›Angriff ist die beste Verteidigung‹, die Komödie aus den Achtzigern hatte recht behalten. Dann – zehn ewig lange Sekunden – Schweigen.
»Äh, tja, ich denke, Sie haben recht. Tut mir wirklich leid.«
Verlegen räusperte sie sich mehrmals.
»Mein Kind. Äh, liebe Frau Bianca. Ich hoffe, sie entschuldigen mich, aber ich denke im Moment ist es besser, wir unterbrechen unseren kleinen Kaffeeklatsch fürs Erste.«
Für Bianca aber war die Situation eine Mischung aus unheimlich und
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