Tablettenfee
Ohrläppchen. Kein Wunder, dass er nun auch munter war. Gerade hatte er noch geträumt, dass ein Eichhörnchen seine Füße hochgerannt war und sich an seinem Ohr zu schaffen machte. Gar nicht so weit hergeholt. Nur dass sein Eichhörnchen fünfzig Kilogramm wog.
»Komm schon, du fauler Sack. Raus aus den Federn!«
Er rieb sich die Augen, drehte sich zur Seite und stand auf. Auch das war nicht ganz so schwer, wie es ansonsten immer der Fall war. Wie schon gesagt, dieser Samstagmorgen schien voller Energie zu sein.
Sie nahm ihn bei der Hand und zog ihn stolz zu seinem Laptop im Wohnzimmer.
»Tatata!«
Bianca imitierte eine Fanfare und deutete mit ihrer Hand auf den Bildschirm des Laptops. Noch schlaftrunken setzte Udo sich davor und starrte mit noch müden Augen auf den Monitor.
»Facebook! Aha.«
Udo streckte den Hals nach vor. Wessen Profil war das? Es war kein Profilfoto da, nur ein Strand bei Sonnenuntergang. Weiberkitsch. Da entdeckte er den Namen des Profils.
»Patty LaFleur. Hä? Freundin von dir?« Udo sah sich fragend um.
Bianca kicherte. »Absolut! Best Friend sogar!«
Sie nahm die Maus aus seiner Hand und klickte in die Fotogalerie. Auf allen Bildern war keine Patty LaFleur zu sehen, sondern nur Bianca. Udo verstand jetzt gar nichts mehr.
»Hä? Heißt du in Wirklichkeit gar nicht Bianca, sondern Patty?«
Bianca lachte laut auf und gab Udo einen Kuss.
»Ich bin bereits dabei euren Plan umzusetzen.«
Jetzt fiel der Groschen auch bei Udo, denn Bianca begann mit ihrer
Erläuterung.
»Nachdem wir nicht zu plump sein dürfen, und er hoffentlich nicht auf alles gleich und sofort anspringt – dachte ich mir, es wäre gut einen Umzug vorzutäuschen. Neu in der Stadt und so ... ich denke, wenn ein Mädel neu in die Stadt gezogen ist und verzweifelt Anschluss sucht, kann sie sich schon irgendwo hin verirren.«
Bianca steckte die Spitze ihres Zeigefingers zwischen ihre zarten Lippen und klemmte den Fingernagel zart mit den Zähnen. Dabei guckte sie Udo so unschuldig an, wie es ihr nach der letzten Nacht möglich war.
»Unsere Patty wird sich zu ihm verirren. Und da er anscheinend kein Kostverächter ist, hat er die Freundschaftsanfrage auch schon bestätigt. Ist allem Anschein nach auch ein Frühaufsteher. Und die anderen Kerle, von denen hat auch keiner nachgedacht. Einladung von einem Mädel, dass ein bisschen ›willig‹ textet und schon wurde ich von allen bestätigt.«
»Andere Kerle?« Udo wurde es etwas mulmig. Aber Bianca lachte nur.
»Naja, schließlich würde es auffallen wenn ich nur ihn adde.
Guck, jetzt sind es schon vierundzwanzig bestätigte Freunde.«
Das klang gar nicht so naiv. Der blonde hippokratische Engel schien ganz genau zu wissen, welche Karten er wann ausspielte und welche Trümpfe sie hatte. Er war beeindruckt. Dass sie tatkräftig und energisch war, war von Anfang an klar, aber so viel Taktik hätte er dem kleinen Biest gar nicht zugetraut. Aber naja, sie hatte ihn ja schon gestern überrascht.
Komisch, dass ihm just das einfiel, als er den leeren Fleck am Boden betrachtete, an dem sonst seine Playstation stand. Er seufzte.
Bianca klickte sich durch die Fotos, die der eingebildete HTL-Fatzke von sich online gestellt hatte. Udo wurde schlecht, als er den Leitner in Badeshorts sah. Das am Samstag in aller Früh. Bähhh!
»Und egal ob Arsch – oder nicht. Ich muss schon sagen; der ist wirklich attraktiv.« Das war ja das Schlimme. Das war ihm eben auch aufgefallen. Dennoch, das wollte Udo jetzt definitiv nicht gehört haben. Also anderes Thema.
»Und du meinst echt, das funktioniert?«
»Ja, schon. Vertrau mir. Ich hab mich auch auf einer Internetsinglebörse angemeldet und geschrieben, dass ich Bekanntschaften suche, weil ich neu in der Stadt bin. Und die beiden Seiten habe ich wechselseitig verlinkt. Ist also nach außen hin eine recht eindeutige Sache.«
»Und wenn er dich sehen will.«
Udo gefiel die Idee plötzlich gar nicht mehr.
»Dann werden wir uns treffen. Glaub mir, mein Häschen, ich weiß, was ich tu. Wir werden den Kerl schon aufklatschen.«
Sie klang echt überzeugend. Udo jubilierte innerlich. Die Gelegenheit zur Revanche schien in greifbarer Nähe. Und irgendwie schien Bianca das Ganze recht gut im Griff zu haben.
Als beide dann wenig später beim Frühstück saßen, wich Biancas Enthusiasmus allerdings jäh. Aus ihrem freudigen Strahlen wurde ein betroffener Gesichtsausdruck. Langsam legte sie das Brötchen zur Seite, das sie eben noch
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