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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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teuren Anzügen hasteten vorbei. Ein bekannter Strafverteidiger versuchte sich an einer spitzen Bemerkung und sprach von einem »gefundenen Fressen für die Hyänen«, woraufhin er auf der Stelle ausgepfiffen wurde.
    Kristin hielt vergeblich nach Gunnar Ausschau. Keine der Reportagen im Dagbladet trug seine Handschrift, und als sie einen der jüngeren Reporter der Zeitung fragte, wo sich Gunnar befand, erntete sie nur ein Schulterzucken.
    Rune Strøm kam für zwölf Wochen in Untersuchungshaft, und es wurde ihm eine Post- und Besuchssperre auferlegt.
    Nach der Verhandlung improvisierte Karianne Li eine Pressekonferenz auf der Treppe in der Lobby: erst auf Norwegisch, dann in fehlerfreiem Englisch mit amerikanischem Akzent. Sie charakterisierte die Verhaftung ihres Klienten als einen Hexenprozess. Die Wortwahl war nicht zufällig. Die Indizien und der sogenannte DNS-Beweis gegen Rune Strøm seien, wie sie betonte, ebenso vage und emotional aufgeladen wie die Indizien gegen die Frauen, die im Mittelalter der Hexerei angeklagt waren.
    »Es gibt zwei Dinge, die gegen meinen Klienten sprechen«, rief sie über die Ansammlung der Pressevertreter hinweg, »zum einen, dass seine Verlobte vor zwanzig Jahren ertrunken ist, und zum anderen, dass seine Persönlichkeit mit dem Fantasiebild der Medien übereinstimmt.«
    Sie ließ ihren Blick über die Anwesenden schweifen, so dass jeder den Eindruck bekam, sie blicke ihm oder ihr direkt in die Augen.
    »Und was ist mit dem Slip?«, rief einer der Reporter.
    »Also mal ehrlich! Der wurde in seinem Mülleimer gefunden! Draußen vor dem Haus!«, antwortete sie wütend.
    »Ja und?«
    »Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass er ihn dort entsorgt haben muss!«
    Die meisten Journalisten waren der Meinung, dass sie ihren Job gut machte. Auch Kristin war beeindruckt. Obschon es Karianne Li nicht gelungen war, auch nur eines der Indizien, die gegen Strøm sprachen, zu torpedieren, war es ihr doch gelungen, ihnen die Kraft zu nehmen.
    Nach der Pressekonferenz standen Kristins Kollegen Schlange, um ihre Reaktion auf die Festnahme zu bekommen. Kristin betonte, es sei nicht ihre Aufgabe, ein Urteil zu sprechen, sie hoffe aber, der Albtraum habe nun endlich ein Ende. Weiter sagte sie, dass sie Lis Kritik respektiere, schließlich sei es in unserem Rechtswesen die Pflicht eines jeden Verteidigers, all die mildernden Umstände zu finden, die für seinen Klienten sprachen.

2
    Ein Polizeiwagen brachte Kristin mit Blaulicht ins Präsidium. Zwei Beamte führten sie durch die Flure zum Aufzug und danach in Vangs Büro.
    Er lächelte breit, als er ihr entgegenkam. Er war nicht wiederzuerkennen. Es fehlte nicht viel, und er hätte sie umarmt.
    »Das war’s dann wohl«, sagte er.
    Sie schüttelten sich lange die Hände. Er schien sie gar nicht mehr loslassen zu wollen.
    »Hat er gestanden?«
    Vang schüttelte den Kopf. »Er redet kein Wort mit uns. Verweigert die Aussage. Scheint aber draufloszuplappern, sobald seine Anwältin mit ihm allein ist.«
    »Und wie geht’s jetzt weiter? Mit mir und Ådne und den Hardy-Jungs?«
    »Genau deshalb wollte ich Sie sprechen. Um Ihre Meinung zu hören.«
    »Meine Meinung?«
    »Wollen Sie den Polizeischutz behalten? Wenn Sie sich noch unsicher fühlen und Schutz haben wollen, bis Strøm offiziell verurteilt ist, kommen wir diesem Wunsch natürlich nach. Gleichzeitig haben meine Männer allerdings den Eindruck geäußert, Sie seien nicht sonderlich begeistert darüber, sie in der Wohnung zu haben.«
    »Wann wird die Sache offiziell verhandelt?«
    »Oh, es ist noch reichlich Ermittlungsarbeit zu erledigen. In einem Dreivierteljahr vielleicht. Oder in einem Jahr. Ich habe keine Ahnung. Das ist nicht meine Entscheidung.«
    »Und da fragen Sie, ob ich weiterhin rund um die Uhr zwei Polizisten um mich haben will – vielleicht noch ein ganzes Jahr?«
    »So wie die Sache derzeit aussieht, sehe ich eigentlich keine Notwendigkeit mehr für eine kontinuierliche Überwachung…«
    »Und das kommt mir sehr entgegen.«
    Er nickte zufrieden. »Vorsichtshalber sollten wir aber ein gewisses Sicherheitsniveau halten. Dort draußen laufen jede Menge Verrückte herum. Sie behalten natürlich den Funknotruf. Und wir werden in regelmäßigen Abständen einen Streifenwagen bei Ihnen vorbeischicken.«
    »Ich habe eine Frage.«
    »Nur zu.«
    »Diese vermisste Frau haben Sie nicht gefunden, oder?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht bei ihm zu Hause. Wir untersuchen, ob er über weitere

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