Tabu: Thriller
Immobilien verfügt. Außerdem ist es ja nicht sicher, dass es da wirklich einen Zusammenhang gibt. Sie kann auf einer Sauftour in Kopenhagen sein. Oder mit gebrochenem Bein in der Nordmarka liegen.«
3
Richard Wolter wartete ihr mit einer Torte und Champagner auf, als Kristin zurück in die Redaktion kam.
Ihre Arbeitskollegen standen in Reih und Glied da und applaudierten. Kristin kicherte und wurde rot, als sie sich ein Stück Sahnetorte abschnitt. Richard hielt eine flammende Rede über die unermüdliche Jagd der Journalisten nach der Wahrheit und der guten Story. Er lobte Kristin für die hervorragende Berichterstattung im erschütterndsten Kriminalfall der norwegischen Geschichte. Sie prosteten sich mit Champagner zu, und einige der Kollegen trugen Kristin im Chefsessel zweimal um den Schreibtisch, während alle anderen johlten und schrien.
Unten in der Rezeption wartete eine Gruppe Journalisten.
Nachdem sie die Tortenreste, die Pappteller und die leeren Flaschen weggeräumt hatten, führten sie die Kollegen in das Sitzungszimmer. Keiner wollte eine gemeinsame Pressekonferenz, und da Kristin in ihren Reportagen auch immer einen eigenen Touch suchte, gab sie den größeren Medien jeweils fünfzehn Minuten für ein Interview unter vier Augen.
Als sie die Interviews hinter sich hatte, musste sie direkt in die Maske und dann ins Studio. Sie sollte während der gesamten Reportage über die Untersuchungshaft Ninnis Gast im Studio sein. Draußen in der Redaktion wurde eifrig gewettet. Schaffte »24 Stunden!« dreißig Prozent Einschaltquote?
4
Es war bald drei Uhr nachts, als sich Kristin nach all dem Trubel die Treppe zu ihrer Wohnung hochschleppte. Sie war angetrunken und müde, und im Halbdunkel bemerkte sie die Gestalt auf den Stufen nicht, bis sie vor ihrer Wohnungstür stand und nach ihren Schlüsseln suchte.
Er saß auf der Treppe neben der Tür. Kopf und Schultern an die Wand gelehnt. Neben ihm auf der Treppenstufe stand eine halbleere Flasche Branntwein. Er hatte auf die Treppe gekotzt.
Sie zuckte zusammen und trat einen Schritt zurück. Dann sagte sie leise: »Gunnar?«
Er rührte sich nicht.
»Gunnar…«, sagte sie etwas lauter und berührte seine Schulter.
Seine Augen öffneten sich langsam. Er hob den Kopf und sah sie blinzelnd an.
»Mein Gott, Gunnar…«
Er räusperte sich. »Du… warst nicht zu Hause.«
Sie blickten beide auf die Flasche.
»Komm mit rein!«, sagte sie.
»Nein, nein, nein, es ist zu… spät. Viel zu spät.«
»Du bist betrunken, Gunnar! Komm mit rein!«
»Nein, nein, zu spät.«
»Warum hast du getrunken?«
Er versuchte, sich aufzurappeln und auf die Beine zu kommen. Als ihm das gelang, kostete es ihn einige Mühe, seinen Blick auf Kristin zu richten. »Ich hab mich… lächerlich gemacht.«
»Dich lächerlich gemacht?«
»Zu alt, weißt du!«
»Wovon redest du?«
»Es ist mir gar nicht in den Sinn gekommen. Der Zeitung einen… Tipp zu geben.« Er sah sie an. »Du hast… mir nichts gesagt. Über das… was passieren sollte. Da oben. Dass ihr das … live bringt. Und ich hab nix gesagt. Der Zeitung, meine ich.«
»Das ging alles so schnell, Gunnar. Ich hatte keine Ahnung, dass…«
»Ich hatte keine… weißt du, Kristin… keine Titel… keine Titel-Story mehr seit… hundert Jahren. Was für ein… Journa… list bin ich nur?«
»Ich wusste nichts von der Verhaftung! Glaub mir, Gunnar! Wir wollten einen Beitrag darüber drehen, dass die Polizei einen Verdächtigen hat, und plötzlich tauchen die da auf. Komm mit, komm mit rein…!«
»Du hättest… anrufen können. Mich. Dann hätte ich… einen Tipp… für die Redaktion. Bevor sie das… Im Fernsehen. Nicht wahr? Schließlich…« Er hatte Schluckauf. »Arbeiten wir doch… zusammen.«
»Mein Gott, Gunnar, ich wollte doch nicht… Entschuldigung! Glaub mir, Gunnar! Komm jetzt mit rein, dann können wir reden.«
Er schüttelte müde den Kopf. »Hätte ich nur…« Die Worte erstickten.
»Gunnar, ich hatte keine Ahnung… Komm jetzt mit rein, nur für einen Augenblick. Bitte!«
»Ich glaube, ich muss… heim.«
»Kannst du nicht hier schlafen? Ich kann dir ein Bett machen.«
»Ich glaube, ich muss heim.«
»Ach, Gunnar…«
»Jetzt bloß kein Mitleid!« Sein Blick wurde hart. »Was du willst. Aber kein Mitleid! Mitleid… mit mir!«
»Gunnar…«
»Glückwunsch auch, für den… Erfolg.« Er war jetzt kaum mehr zu verstehen. »Aber ich muss jetzt… gehen.«
»Sei doch nicht so, du
Weitere Kostenlose Bücher