Tabu: Thriller
davon aus, dass die Polizei kein Risiko eingeht. Ich kann sehen, dass die Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei, die Delta-Kommandotruppe – eine sogenannte Antiterroreinheit, die jetzt im Haus ist -, bewaffnet und mit schusssicheren Westen und Helmen ausgerüstet sind. Arve?«
»Wie ist die Situation bei euch in diesem Moment, Caspar?«
»Mist, Caspar ist höllisch nervös«, flüsterte Richard Kristin zu.
Das kann ich gut verstehen, dachte sie.
»Also, Arve, ähm, wie bereits gesagt, hat die Polizei soeben diese völlig, ähm, überraschende Aktion gestartet. Wir werden sehen, ob es den Beamten gelingt, den Verdächtigen festzunehmen, genau wie wir voller Spannung abwarten müssen, ob die Polizei im Haus konkrete Spuren findet.«
»Was können Sie uns über den Verdächtigen sagen, Caspar?«
»Ich möchte noch einmal hervorheben, dass es sich nur um einen Verdächtigen handelt und dass ich nicht im Detail weiß, worauf sich der Verdacht der Polizei gründet. Aber so viel lässt sich sagen: Der Mann kam 1976 in Untersuchungshaft, weil er des Mordes an seiner Verlobten verdächtigt wurde. Wie Aquarius’ letztes Opfer ertrank auch sie in einer Badewanne. Der Verdächtige wurde aus der Untersuchungshaft entlassen, die Anklage niedergeschlagen. Ich nehme an, dass die Polizei wegen der Ähnlichkeit zwischen den beiden Todesfällen die Festnahme veranlasst hat. Aber ich gehe ebenfalls davon aus, dass ihr noch andere Informationen vorliegen, wenn sie so massiv vorgeht.«
Während er redete, näherten sich Caspar und der Kameramann der Eingangstür. Im Haus war alles still. Ein Polizist scheuchte sie weg. Irgendwo rief jemand etwas im Inneren des Hauses.
»Arve, es scheint, als hätte die Polizei jemanden gefasst. Ich erkenne mehrere Personen hinter der Tür, und jetzt, falls die Kamera es zwischen den Bäumen hindurch einfangen kann, sehen wir, dass die Polizei den Verdächtigen aus dem Haus führt. Das hieße, dass die Festnahme, von unserem Standpunkt aus zu urteilen, ruhig und undramatisch vonstattengegangen ist.«
Auf dem Monitor sah Kristin, wie schwer bewaffnete Polizisten Rune Strøm aus dem Haus führten. Am Fuß der Treppe nötigten sie ihn, sich bäuchlings auf dem Kies auszustrecken.
Mein Gott, dachte sie, warum sitze ich hier und gucke mir das im Fernsehen an?
Sie stürzte aus dem Übertragungswagen und lief die Straße hinunter. Ein Polizist wollte sie aufhalten, aber als er sah, wer sie war, ließ er sie passieren. Hinter dem Kameramann und Caspar blieb sie stehen.
»…auf jeden Fall«, sagte Caspar, »ist jetzt die Spurensicherung im Haus auf der Jagd nach konkreten Beweisen, mit denen einer oder mehrere der Morde nachgewiesen werden können. Sollten sie keine Spuren finden – zum Beispiel weil er die entführten Frauen in einem anderen Haus gefangen hält -, muss man sich fragen, ob die Indizien vor Gericht ausreichen werden. Es muss noch einmal betont werden, dass die Polizei noch ganz am Anfang ihrer Ermittlungen steht und dass es dem Gericht obliegt zu entscheiden, ob er schuldig ist oder nicht.«
Im Hintergrund nahmen die Polizisten eine Leibesvisitation an Strøm vor und zerrten ihn auf die Beine. Zwei kräftige Polizisten zogen ihn hinter sich her. Als sie durch die Toreinfahrt kamen, drehte sich Strøm zu dem Kamerateam um. Sein Blick suchte Kristin. Eine kurze Sekunde lang hakte sich sein Blick in ihrem fest.
Ein undefinierbarer Blick. Sie fühlte nichts. Absolut nichts.
Ohne eine Miene zu verziehen, wandte er sich ab. Ein Polizist schützte seinen Kopf mit der Hand vor dem Türrahmen, als er auf die Rückbank des Polizeiwagens geschoben wurde.
Beweis
I
Sie fanden Frøydis nicht.
Während Geir Ryvik mit seinen Leuten von der Spurensicherung hektisch damit beschäftigt war, das Haus zu sichern, gingen Vang und Antonsen von Raum zu Raum. Sie sahen aus wie frischgebackene Väter auf der Säuglingsstation. Beide trugen enge Latexhandschuhe, Operationshauben und Plastikhüllen über den Schuhen. Ryvik hatte darauf bestanden. Sein aktueller Lieblingsausdruck war »verschmutzter Tatort«.
Nichts deutete darauf hin, dass dieses Haus einem erwachsenen, allein lebenden Mann gehörte.
An den Wänden hingen selbst gewebte Läufer und Reproduktionen von Malereien mit christlichen Motiven. Auf dem Sofa im Wohnzimmer lagen Berge von Kissen, die Ragnhild Strøm bestickt hatte. Die Tischlampen hatten rosa Schirme. Alle Tische waren mit Spitzendeckchen verziert, und auf dem Boden lagen
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