Tabu: Thriller
Strøm sofort verhaftet und eine Hausdurchsuchung anberaumt. Wir werden ihn unter Druck setzen.«
»Sie haben sein Haus noch nicht unter die Lupe genommen?« Die Frage klang wie ein Vorwurf.
»Im Moment haben wir noch keinen Grund für einen Durchsuchungsbefehl. Noch nicht.«
Der Direktor dachte nach. Seine dunklen Augen schweiften ruhelos durch den Raum. »Stimmt. Es ist sicher wichtig, sachlich vorzugehen. Wenn wir mit der Tür ins Haus fallen, ohne zu wissen, was wir tun, kriegen wir ein Problem mit den Medien.«
»Genau das habe ich auch gedacht.«
»Trotzdem würde ich empfehlen, Priorität auf die Strøm-Spur zu legen. Etwas deutlicher als bis jetzt.«
»Wenn Sie meinen…«
»Sie scheinen nicht überzeugt zu sein, dass er unser Mann ist?«
»Ich…« Vang breitete die Arme aus.
»Warum warten Sie mit der Vorladung von Rita Quist bis morgen?«
Die Frage kam unerwartet. Typisch. Im einen Augenblick ist er dein Kamerad, im nächsten ein skrupelloser Inquisitor.
»Nun«, sagte Vang. Er hatte keine Antwort. »Wir haben heute Abend noch viel zu tun, nur deshalb.«
»Denken Sie darüber nach, die Sache ein wenig zu beschleunigen, ja? Es ist ja möglich, dass sie lügt.«
»Natürlich.«
Sie sahen einander an. Der Blick des Präsidenten sagte: Sie haben meine volle Unterstützung, Vang, Hauptsache, Sie schnappen diesen Aquarius möglichst bald! Vang hatte keine Ahnung, was seine eigenen Augen sagten. Sicherheitshalber sah er weg.
4
Vang fuhr allein zu Rita Quists Laden, um sich einen Eindruck von dieser Frau zu verschaffen.
In seinen Tagträumen gefiel ihm das Bild von sich als einsamer Ritter der Osloer Polizei. Der Clint Eastwood des Polizeipräsidiums. Der Revoluzzer, der Ordnung schaffte und allen Autoritäten und jeder Hierarchie trotzte. Natürlich waren das nur dumme Fantasien. Verdammt, er war Polizeidirektor! Er war an die Regeln gebunden. Trotzdem erlaubte er sich seine kleinen Revolutionen. Ganz im Verborgenen. Zum Beispiel indem er Ermittler bevorzugte, die der Polizeipräsident nicht mochte, oder der Zeitung Hinweise zuspielte, für die er hinterher vor dem Präsidenten geradestehen musste. Kleinigkeiten nur. Auf eigene Faust zu einem Zeugen zu fahren, einem Verdächtigen, ohne sich abzumelden. Dirty Harry light.
Der Laden hieß »Banshees«. Er hatte gedacht, das sei der Name einer Popband. Sein Sohn hatte ein großes Plakat an der Wand, als er noch zu Hause wohnte.
»Wir öffnen gegen zehn Uhr und schließen, wenn uns danach ist«, stand auf einem handgeschriebenen Schild an der Tür.
Banshees? Was war das für ein Name? Er versuchte, sich an das Plakat seines Sohnes zu erinnern. Was hatte dort gestanden? Irgendetwas mit Indianern. Roger hatte ihm einmal eine Platte vorgespielt. Nicht gerade Erroll Garner.
Er dachte an das Kinderzimmer. Nach seinem Auszug hatten sie ein Fernsehzimmer daraus gemacht. Herdis’ Strickzeug lag in einem geflochtenen Korb hinter dem Sofa. Mit allen Magazinen, aufgeschlagen auf den Seiten mit den Kreuzworträtseln.
Eine Glocke, die an einer Feder hing, klingelte munter, als Vang die Tür öffnete. Der enge Ladenraum roch schwer und süß nach Räucherstäbchen und Kräutern.
»Momentchen!«, sang eine Stimme aus dem Hinterzimmer.
Es war nicht leicht zu sagen, was man in diesem Laden eigentlich kaufen konnte. Es gab Regale mit New-Age-Literatur und antiquarischen Büchern. In dem Glastresen lagen selbst gemachte Armbänder, Ringe und Ketten; altmodisch und rustikal. An einem Kleiderständer hingen hippie-inspirierte Kleider, Hemden und Westen. Er sah ein Regal mit allen möglichen Räucherkerzen und -stäbchen und eins mit losem Tee. Kerzen, getrocknete Pflanzen, handgewebte Deckchen, kleine Messingdosen und -kästchen und ein Eimer voller Fingerhut. An der Wand hingen Plakate. Auf einem war ein Hexagramm.
»So«, sagte die Frau, die aus dem Hinterzimmer kam und sich eine Schürze umband. »Kann ich Ihnen helfen?«
Rita Quist war eine lebhafte Frau mit langen, rötlichen Haaren und einem blassen Gesicht voller Sommersprossen. Ihre Augen fokussierten einen Punkt neben dem Gesicht ihres Gegenübers. Ihr Alter war unbestimmbar: irgendwo zwischen dreißig und fünfzig. Dann erinnerte sich Vang, dass sie 1957 geboren worden war. Sie trug unbeschreiblich große Ohrringe, eine Halskette, deren Anhänger in dem Spalt zwischen ihren schweren Brüsten verschwand, und zahllose Ringe, fast an jedem Finger einen.
»Ein spezieller Laden…«, sagte Vang
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