Tabu: Thriller
Gran verächtlich.
Die Sekretärin klopfte an und steckte den Kopf zur Tür herein. »Nachrichtenredakteur Richard Wolter von Kanal 24 besteht darauf, mit Ihnen zu sprechen«, flüsterte sie.
Er hob abwehrend die Hände.
»Ich habe ihm gesagt, dass Sie keine Gespräche annehmen, aber er lässt nicht locker. Er meint, es wäre im Interesse der Polizei, dass Sie mit ihm reden. Er ist extrem – penetrant.«
Vang stieß einen lang gezogenen Seufzer aus. »Stellen Sie ihn durch.«
Es wurde ein kurzes Gespräch. Wolter informierte ihn, ihm sei bekannt, dass die Polizei einen konkreten Verdächtigen hätte und dass er die Neuigkeit in der Zweiundzwanzig-Uhr-Sendung bringen wollte. Vang versuchte anfangs noch zu dementieren, drohte dann aber, dass es Folgen haben würde, wenn Kanal 24 mit der Ausstrahlung dieser Nachricht die Ermittlungen gefährdete. Wolter gab zu bedenken, dass das Dagbladet die Neuigkeit so oder so am nächsten Morgen drucken würde. An dieser Stelle hätte Vang mit einem schlagenden Argument aufwarten müssen, um Wolter davon abzuhalten, die Nachricht zu senden. Aber Vang hatte kein schlagendes Argument. Er konnte bloß vorbringen, dass Strøm lediglich jemand war, den sie genauer unter die Lupe nehmen wollten, was Richard Wolter allerdings vollkommen reichte.
Vang sah auf die Uhr. Zwei Stunden bis zur Sendung.
»Was wollte er?«, fragte Elisabeth Gran.
Vang gab in kurzen Worten wieder, was Wolter gesagt hatte.
»Der Drecksack«, zischte sie.
Vang trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Ehrlich gesagt, gefährdete Kanal 24 die Ermittlungen nicht wirklich, wenn er von dem Verdacht erzählte. Strøm wusste, dass er verdächtigt wurde. Wenn rauskam, dass er überwacht wurde, würde er sich vermutlich ruhig verhalten. Und gesetzt den Fall, Strøm war tatsächlich Aquarius, würden sie ihn so oder so irgendwann überführen. Niemand konnte derart viele Morde begehen, ohne eine Spur zu hinterlassen; ein Haar, eine Hautfaser, ein Souvenir, das der Täter mitgenommen hatte.
Nein, am meisten fürchtete sich Vang vor der Reaktion der Öffentlichkeit. Presse und Publikum wären nicht in der Lage, rational zu urteilen, wenn bekannt wurde, dass die Polizei einen Verdächtigen hatte. Sie würden verlangen, den Mörder ans Kreuz zu schlagen.
»So wie die Dinge liegen, würde ich dir zu einer baldigen Festnahme raten«, sagte Gran.
Er sah sie von der Seite an.
»Kannst du dir den Wirbel vorstellen, wenn das bekannt wird? Sie werden Rune Strøm belagern. Ihn lynchen. Lassen wir die Medien auf ihn los, wird herzlich wenig für uns übrig bleiben. Wir sollten ihn noch heute Abend abholen und irgendwo weit weg von allen Fernsehgeräten und Zeitungen unterbringen.«
»Ich weiß nicht«, murmelte Vang.
In dem Augenblick flog die Tür auf, und Oscar Lund stürmte ins Zimmer. »Jetzt haben wir ihn!«, rief er atemlos und knallte den Stapel alter Zeitungsartikel vor Vang auf den Schreibtisch. »Hier hast du deinen Mann! Rune Strøm!«, posaunte er stolz hinaus.
2
Rita Quist wartete im Verhörraum auf sie.
Sie seufzte, als ihr Blick Vang fand. »Ach, Sie!«, sagte sie nur.
»Ich, ja.«
Rita Quist legte die Hände zusammen und verschränkte die Finger ineinander. »Geht es schon wieder um Rune? Ich hab’s der Polizistin doch schon gesagt: Wir waren zusammen! Wieso müsst ihr immer wieder in den alten Geschichten herumwühlen, sobald ein Mord passiert?«
»Sie haben mit mir gesprochen«, sagte Elisabeth Gran. »Die Sache ist die: Einzig und allein das Alibi, das Sie Strøm gegeben haben, hindert die Polizei daran, ihn festzunehmen.«
»Gott sei Dank, kann ich nur sagen!«
»Und Sie behaupten also, dass er bei jedem Mord mit Ihnen zusammen war?«
Unsicher: »Ja.«
»Dabei wissen nicht einmal wir genau, wann die einzelnen Morde exakt begangen wurden.«
»Wir sind momentan viel zusammen…«
»Wann wurde Una Mørch ermordet?«
Sie lächelte einfältig. »Ich weiß nicht… Im Juli, August, zum Monatswechsel oder so.«
»Und Sie waren jeden Tag zusammen?«
»Ja, sozusagen.«
Weder Vang noch Gran noch Antonsen sagten etwas.
Rita Quist schwieg ebenfalls.
»Und an welchem Datum…«, sagte Gran schließlich.
»Jetzt hören Sie mir mal zu!«, sagte Rita Quist und erhob sich halb von ihrem Platz, wobei sie den Stuhl mit einem kreischenden Geräusch nach hinten schob. Sie stützte sich mit den Händen auf dem Tisch ab und lehnte sich nach vorn. Aus dem üppigen Spalt zwischen ihren Brüsten rutschte ein
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