Tabu: Thriller
schauten demonstrativ in die andere Richtung, als sie an dem Wagen vorbeifuhren. An der nächsten Kreuzung bat Kristin Gustav anzuhalten. »Ich muss einen Anruf machen«, sagte sie. Sie öffnete die Tür, worauf beide Männer sich blitzschnell umdrehten. »Sorry, Jungs, privat«, sagte sie zuckersüß. »Ich betreibe nebenher ein Sex-Telefon, ihr wisst ja, wie das ist.«
Sie knallte die Autotür zu.
Ein chemischer Kurzschluss im Hirn schaltete ihr Nummerngedächtnis komplett aus, aber glücklicherweise hatte sie Richard Wolters Handynummer gespeichert. Er antwortete sofort. Im Hintergrund waren Tafelmusik und Klirren zu hören.
»Kristin hier!«, sagte sie schnell. »Wo bist du?«
»Im Theatercafé. Abendessen mit der Geschäftsleitung. Qué pasa? «
»Such dir einen Platz, an dem du ungestört reden kannst.«
Sie hörte, wie Richard sich entschuldigte. Kurz darauf war seine Stimme wieder in der Leitung. Ein Auto hupte.
»Ich steh jetzt draußen auf dem Bürgersteig. Was ist passiert?«
»Ich glaube, ich habe ihn gefunden.«
»Ihn?« Richard schien sich auf einem komplett anderen Stern zu befinden.
»Aquarius!«
»Was sagst du da? Du hast Aquarius gefunden?«
»Das ist eine lange Geschichte. Vielleicht ist er auch nur verdächtig – ich weiß es nicht. Das war Gunnar – du weißt, Gunnar vom Dagbladet ? -, dem eine alte Geschichte wieder eingefallen ist, als er…«
»Moment mal! Sie haben einen Verdächtigen?« Wolter schrie nahezu in den Hörer. »Verdammt, das ist ein Riesending, Mädchen! Lass hören!«
»Also, er heißt Rune Strøm und wohnt in Grefsen. Um die vierzig. 1976 wurde er des Mordes an seiner Verlobten verdächtigt, aber niemals verurteilt.«
»Was für ein Fall war das?«
Kristin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
»Du wirst es nicht glauben.«
»Jetzt sag schon!«
»Sie wurde ertränkt.«
»Ertränkt? Wirklich? Jesses!«
»In der Badewanne.«
»Er hat sie ertränkt?«
»Er hat sie ertränkt!«
»In der Badewanne?«
»In der Badewanne, Richard!«
»Nimmst du mich auf den Arm? Das ist doch ein Scherz! Was? Nicht? Ha, das ist zu gut, um wahr zu sein. Verdammte Kiste! Was sagt die Polizei dazu?«
»Nichts. Ich habe Vang informiert, und er hat sich für den Hinweis bedankt. Völlig desinteressiert. Außer dass er ganz offensichtlich weiß, wer Rune Strøm ist.«
»Aber sie haben ihn noch nicht gefasst oder angeklagt oder so was?«
»Das weiß ich nicht. Zuerst dachte ich, Gunnar und ich würden die Spur vielleicht überbewerten. Aber dann hab ich meine Bodyguards gebeten, mich nach Grefsen an Strøms Haus vorbeizukutschieren. Und glaubst du’s, da steht doch tatsächlich eine Zivilstreife davor!«
Stille. Kristin hörte die laute Stimme eines Passanten, der an Richard vorbeiging.
»Das ist der Hammer, Kristin. Der erste Verdächtige!«
»Vorläufig weiß ich noch nichts Genaues…«
»Ich würde sagen, wir wissen genug.« Sie hörte an seiner Stimme, dass er lief. »Ich bin in fünf Minuten in der Redaktion. Wir dürfen jetzt keine Zeit mehr verlieren!«
»Müsstest du dich nicht von der Geschäftsleitung verabschieden?«
»Zur Hölle mit der Geschäftsleitung.«
Sie drehte sich zu dem Polizeiauto um. Ådne starrte sie an. Gustav telefonierte.
»Richard, was brütest du aus?«
»Noch ein paar Stunden bis zur Sendung. Wir können es gerade noch schaffen, dort oben eine Live-Crew zu positionieren.«
»In Grefsen? Richard, vielleicht irre ich mich ja auch!«
»Ich werde mit Vang reden.«
»Was, wenn wir ihnen in ihre Ermittlungen pfuschen? Vielleicht beschatten sie ihn, weil…«
»Der Zug ist abgefahren, Kristin. Das weiß das Dagbladet, und das wissen wir. Es ist kein Geheimnis mehr. Das Dagbladet wird einen Teufel tun, diese Information zurückzuhalten. Ich werde Vang vorwarnen. Ein echter Hammer!«
Er sitzt im Wohnzimmer auf dem Sofa und denkt unmögliche Gedanken.
Fragt sich, was Dunkelheit ist. Das Gegenteil von Licht? Oder eine Ewigkeit, in der das Licht ein Eindringling ist? Vielleicht ist Zeit am Ende nur die Dauer eines Lichtstrahls im unendlichen Dunkel? Eine Sonne, die aufleuchtet und verlöscht. Eine Galaxie, die entsteht und vergeht. Kann Zeit überhaupt in ewiger Dunkelheit existieren?
Solche Gedanken gehen ihm durch den Kopf.
Er ist verwirrt, ratlos. Darum wird er auch von diesen sinnlosen Hirngespinsten infiziert. Was ist Dunkelheit? Was ist Zeit? Was ist der Tod? Pathetische Fragen, die in ihm mahlen, Fragen ohne Antworten, die ihn
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