Täglich frische Leichen
Schreibtisch und schnitt Männchen aus einem Blatt Papier.
»Johnny...« Ich lächelte ihn hoffnungsvoll
an. »Ich dachte, wenn es dir nichts ausmacht...«
»Ich sehe dich nicht«, sagte er
und betrachtete intensiv seine Papiermännchen. »Soweit es mich betrifft,
existierst du überhaupt nicht — und er auch nicht. Wenn die Polizei mich fragt,
streite ich jede Mitwisserschaft ab; vielleicht komme ich dann mit einem blauen
Auge davon und behalte meine Lizenz. Leben Sie wohl, Miss Dingsda.«
»Nur eine Frage, Johnny«,
redete ich ihm zu. »Wo wohnt Mr. Stern?«
»Wo hat er gewohnt, willst du
sagen!« schnarrte Johnny. »In Beverly Hills, wo sonst? Er hat... hatte dort ein
Haus, wie es zu ihm paßt. Ein paar Hektar Land mit einer Villa im englischen
Stil drauf, einen Swimmingpool von zwanzig Meter Länge, plus Tennisplatz, Park
und so weiter. Okay, wenn ihr zwei Verrückten mir versprecht, daß ihr dann
verschwindet, suche ich die Adresse heraus und gebe sie euch.«
»Abgemacht«, sagte ich.
Johnny suchte die Adresse, und
ich schrieb sie mir auf.
»Und nun verschwindet — beide«,
sagte Johnny scharf. »Und glaubt ja nicht, daß ich euch Kaution besorge. Keinen
Finger werde ich rühren!«
»Gehen wir, Rafael«, sagte ich
stolz erhobenen Hauptes. »Das beweist nur wieder mal die Wahrheit des alten
Wortes: >Freunde in der Not gehen tausend auf ein Lot!<«
Wir fuhren in die Garage hinab.
»Wann, glaubst du wohl, geht
man im Hause Stern schlafen, Mavis?« sagte Rafael, während er den Motor anließ.
»Jetzt ist es halb sieben.«
»Na, so früh werden sie sich
kaum ins Bett legen«, gab ich zu. »Ich habe Hunger. Wollen wir nicht erst etwas
essen?«
Rafael steuerte aus der Garage
hinaus auf den Sunset Strip, wo er sich auf der äußersten rechten Spur hielt
und nicht schneller als zwanzig Meilen fuhr.
»Ich mache mir wegen Arturo
Sorgen«, sagte er. »Ich habe ihn seit heute früh nicht mehr gesehen. Ohne meinen
Schutz kann er leicht Attentätern zum Opfer fallen.« Er zuckte nachdenklich die
Schultern. »Andererseits, wenn Arturo dahinterkommt, daß es Stern war, den ich
erschossen habe — und keineswegs ein Attentäter... Vielleicht ist es am Ende
sogar besser, wenn Arturo umgebracht wird und ich in der Fremdenlegion
untertauche?«
»Vielleicht wäre es noch
besser, wenn du in der nächsten Parklücke hältst und wir ein Steak essen
gehen.«
»Wollen wir nicht lieber in
deiner Wohnung warten, bis wir unseren Freund abliefern können, Chiquita?«
fragte er erwartungsvoll.
»Ich habe schon genug am Hals«,
belehrte ich ihn. »Und deshalb wollen wir jetzt nur schlicht und einfach essen,
ja?«
Wir suchten uns ein Restaurant,
genehmigten uns Steaks und Martinis, und als wir mit allem fertig waren, zeigte
die Uhr kurz nach acht. Um halb neun fuhren wir langsam an der Einfahrt zum
Hause Stern vorüber. Viel sehen konnten wir nicht, der hohen Backsteinmauer
wegen. Das eiserne Tor freilich stand offen, und am Ende des langen Fahrwegs
gewahrten wir die Umrisse des Hauses. Es war beleuchtet wie für einen
Gala-Empfang.
»Sieht so aus«, meinte Rafael,
»als gingen sie nicht sehr zeitig zu Bett. Meinst du, wir sollten noch
irgendwohin fahren?«
»Tja«, meinte ich, »das wäre
vielleicht gar nicht schlecht.«
»Und was schlägst du vor — San
Franzisko?« fragte er gehässig.
»Ich weiß was Besseres«, sagte
ich. »Wenn du ein Telefon siehst, halte bitte mal.«
»Willst du sie anrufen und zu
Bett schicken?« fragte er.
»Sei nicht albern«, erwiderte
ich. »Ich werde ihnen erzählen, Mr. Stern habe einen Unfall erlitten — und das
ist ja schließlich nicht mal gelogen. Ich bitte sie, sofort nach Bel Air zu
kommen. Und wenn sie weg sind, können wir ihnen den Leichnam seelenruhig ins
Haus bringen.«
»Mein Leben ist ohnehin keinen
Pfifferling mehr wert«, murmelte Rafael. »Was kann ich noch verlieren?«
Wir fanden ein Telefon, und
Rafael wartete im Wagen, derweil ich die Zelle betrat und mir im Telefonbuch
Sterns Nummer suchte. Ich wählte, hörte es zweimal klingeln, dann meldete sich
eine etwas heisere Frauenstimme.
»Ist dort Stern?« forschte ich
voll Hoffnung.
»Hier spricht Mrs. Stern«, sagte sie. »Ich weiß nicht wer Sie...«
»Sie kennen mich auch nicht,
Mrs. Stern«, sagte ich. »Ich bin eine Bekannte Ihres Gatten.«
»So?« Jetzt wurde die Stimme
aus irgendeinem Grunde kühl.
»Er hat mich gebeten, Sie
anzurufen«, fuhr ich eilends fort. »Er braucht Hilfe, er hatte einen
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