Taenzer der Nacht
noch verdunkelt werden würde, indem es weitere Schich ten Höflichkeit auf eine Beziehung legte, die bereits jetzt ziemlich formell war. „Mach’ einen Abschluß in Recht und Wirtschaft“, war alles, was er denken konnte, während das weiße Hemd seines Vaters sich in den Farbtupfern verlor, aus denen diese paradiesische Insel bestand.
In Neuengland fand er Schnee vor – aber es war der Schnee der Einsamkeit, denn jetzt vermißte er seine Familie und spürte den ersten Schock, der auftritt, so bald ein Herz von den Gegenständen seiner Zunei gung getrennt ist. Er lernte eifrig und verschob das Glück auf eine ferne Zukunft: eine Gewohnheit, die er jahrelang nicht mehr aufgeben würde. Obwohl er nie ein so guter Baseballspieler wurde, wie sein Vater angeb lich in seiner Jugend gewesen war, wurde er doch immerhin zum Kapitän der Fußballmannschaft gewählt. Er liebte den intensiven Herbst – die Wildheit der Luft, die die Seele in Flammen setzt – und fand ein paar gute Freunde. Er war, was für Amerikaner so wichtig ist: beliebt. Er machte seinen Abschluß unter einem Regen von Medaillen. Er war ehrgeizig und ging nach Yale, und nach Yale auf eine juristische Fakul tät, und danach schrieb er sich an der Universität von Stockholm ein, um seinen Doktor in See-und Bank recht zu machen. Nach seiner Rückkehr trat er in eine große New Yorker Sozietät ein und wurde sofort mit einem Krümel des ungeheuren Festschmauses bedacht, der die Rechtsanwälte auf Jahrzehnte hinaus er näh ren würde: der Zusammenbruch der Penn-Central— Eisenbahn. Er war für einen Posten im Weißen Haus ausersehen. Er war damals ein gut aussehender junger Mann in dunklem Anzug, Weste und Krawatte von J. Press in New Haven, trug eine Lesebrille, und man hätte ihn im Schnellzug nach Washington sehen kön nen, wie er einen Roman von Henry James las, oder an einem Sommerabend in Georgetown, wie er vor dem Schaufenster einer Buchhandlung stand und ein Buch über französische Kathedralen in der Auslage betrach tete, bevor er zum Bahnhof ging, um den Zug zurück nach New York zu nehmen. Es gibt verschiedene Arten, sich die Welt vom Leibe zu halten, und Erfolg ist eine davon: Malone war untadelig, und beinahe so etwas wie ein Snob.
Denn etwas war mit Malone geschehen, seit er nach Amerika geschickt worden war, um zur Schule zu gehen. Während dieser verschneiten Neuengland-Win ter, in denen er lernte, um fünf Uhr morgens aufzu stehen, um Algebra zu lernen, und zwei Meilen die Straße hinunter durch Schneegestöber zu stapfen, um zum Frühstück zu kommen, hatte er ein schreckenerregendes Element in sich unterdrückt, das jetzt die Form einer prüden Jungfräulichkeit annahm. Während sein Leben auf der Oberfläche untadelig war, fühlte er sich gleichzeitig wie hinter Glas: als ob er sich in einem eigenen Käfig durch die Welt bewege und niemanden sonst berühre. Das war schmerzhaft. Er kam eines Abends zur Tür herein und sah seinen Stubenältesten nach dem Duschen nackt im Zimmer stehen: er war geschockt. Er schrieb Mädchen in Ceylon, aber es waren eben nur Briefe. Er hörte den Geschichten von Jungen aus Connecticut zu, die in der ersten Nacht, die sie in den Ferien zu Hause waren, mit Mädchen im Chevrolet vögelten; er hörte die Geschichten über die Nutte des Ortes und blätterte die Playboy— Hefte durch, die hier jeder hatte; aber er blieb völlig unberührt. Dieser Unterschied zu den Gefühlen aller seiner Freun de verwirrte Malone. Er unterdrückte diese Verwir rung, lernte nur umso emsiger und träumte von Cey lon. In New Haven lernte er, die Krawatte zu ignorie ren, die sein Stubengenosse an die Türklinke hängte, wenn er ein Mädchen im Bett hatte, aber Krawatten blieben für ihn das Symbol des reichen erotischen Lebens, das andere Männer genossen. Er selbst war immer noch jungfräulich, als er 1972 ein Zimmer in einem großen Haus in dem Vorort Maryland nahm. Das Haus gehörte einer Botschafterswitwe, eine Ju gend freundin seiner Großmutter; er mietete sich noch ein Zimmer in Brookfield, Connecticut, da er in beiden Orten arbeiten mußte. Wie die meisten seiner Schulkame raden verabscheute er Großstädte. Seine mitter weile verheirateten Freunde lebten in North Salem, und er besuchte sie sonntags. Er fand es rührend und eigenartig, daß sie seine Gesellschaft schätzten; denn da er selbst nie verliebt gewesen war, nahm er an, daß sie Dritte eigentlich lästig finden müßten. Es war ihm wichtig, daß sie glücklich
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