Taenzer der Nacht
verbrachte Malone die ersten Jahre seines Lebens, jagte Kaninchen, trieb sich in den Wäldern herum, wurde von seiner Großmutter väterlicherseits verzogen, bis seine Eltern ins Ausland gingen, um für eine interna tio nale Maschinenbaufirma zu arbeiten. Es war das Goldene Zeitalter des amerikanischen Unternehmer tums, der Siegesrausch, der auf den Zweiten Weltkrieg folgte, und auch seine Familie nahm daran teil.
Die Familie erzog Malone dazu, ein höflicher, selbst be wußter und hart arbeitender Bursche zu sein und an Gott zu glauben. Samstag morgen nahm er Klavierun - ter richt, und er scheuerte jeden Morgen den Innenhof ihres Hauses, bevor er zur Schule ging. Über dem Regal im Eßzimmer ihres Hauses hing das Bild einer Frau, die in einem Obsthain saß und strickte, während ihre Kinder zu ihren Füßen spielten. „So sollte meine Familie aussehen“, sagte sein Vater gelegentlich. Nach dem Mittagessen hielt sein Vater immer Mittagsschlaf – eine übliche Sitte der Tropen – und Malone saß beim Telefon in der Vorhalle, las seine Geschichte des Alter tums und bewachte den Schlaf seines Vaters. Der Vater stand um ein Uhr auf und kehrte in sein Büro mit Klima anlage zurück; und wenn er um fünf in der schon tiefblauen, windigen Dämmerung zurückkehrte, lief Malone zu ihm in die Vorhalle, umarmte ihn und drückte sein Gesicht gegen das weiße, glatte Hemd, das irgendwie noch den Geruch der Klimaanlage an sich trug. Seine Mutter, die oft gerade erst aufge stan den war, weil sie die ganze Nacht Krimis gelesen hatte, nahm dann mit seinem Vater auf der Veranda einen kleinen Drink ein, während Malone sich wieder zu den Hausmädchen begab, die ihn wegen seiner goldenen Locken anbeteten.
Die Ereignisse seiner Kindheit waren ganz normal, wenn es so etwas gibt: Er weinte, als sein Hund verschwand, und er weinte, als man ihn wiederfand. Sonntag morgen trug seine Mutter kurze Handschuhe zur Kirche, und er hielt sie an der Hand, während sie den Kirchgang hinuntergingen. In seinem Zimmer sam melte er Korallen. Eine Vielzahl verschieden-farbiger Hausmädchen kam und ging, und er hängte immer sein Herz an sie, wenn sie in der Waschküche hinter ihrem Bungalow ihr Haar flochten; und er saß lesend neben den Waschzubern, die von der blauen Härte des Bleichmittels dufteten. Er liebte den Geruch des Bleich mittels und den Luftzug, der von der kochend heißen, leeren Straße her zog und den Duft der ganzen Insel, ihrer Dornenbüsche und Kakteen mit sich trug; er liebte den warmen Zement, den leeren, sonnigen Him mel, das Lachen der Hausmädchen. Und mit den Jah ren vergaß er allmählich die Häuser, die nicht nur trocke ne und magische Dachböden hatten, sondern auch dumpfe und feuchte Keller, voller Vorräte und Werkzeuge und alten Spielzeugs; er vergaß den Schnee und die wechselnden Jahreszeiten und wurde zum typi schen Bewohner des Äquator, dessen Seele Licht und die Freuden der Sinne liebte.
Denn einen sinnlicheren Platz gibt es auf Erden eigent lich nicht. Samstags ging er immer in das strah lend weiße Kino, in dessen dunklem Schoß er zuschau te, wie Errol Flynn auf brennende Decks sprang, um Olivia de Havilland zu retten, und wenn er dann wieder hinaus ins blendende Sonnenlicht kam, waren da genau die Kokospalmen und das lapislazuliblaue Wasser aus dem Film. Wenn er nachts im Bett lag, stöhnten die Passatwinde in den Jalousien; ein Hund bellte weit entfernt unter dem großen Mond, die Man delbäume knackten im Wind; und Malone träumte die üblichen Träume von Jungen seines Alters – von Cow boys, Superman und Piraten –, nur mit dem Unter schied, daß seine Träume draußen unter den Palmen a n d en Lagunen angesiedelt waren, so real wie die Schuhe vor seinem Bett. Mit zwölf gab er den Piraten traum auf, und träumte statt dessen davon, ein Heili ger zu sein. Er fing an, nachmittags nach der Schule und dem anschließenden Religionsunterricht nicht mehr Ball zu spielen, sondern sich in sein Zimmer zu rückzuziehen, niederzuknien und eine Jesusstatue an zu beten, in der Hoffnung, Christus selber würde sich zeigen. Seine Familie sagte auch nichts dazu, als er für sich vor der Suppe ein derart langes Dankgebet sprach, daß sie bereits beim Nachtisch waren, als er den ersten Löffel kalter Brühe in den Mund schob.
Seine schöne Mutter ging nachts mit Parfümdüften und Halsketten geschmückt zu Parties; nahm Malone zur Messe in den Ort mit, und ließ ihn Kerzen für seine Onkel und Tanten in Amerika
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