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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Holleran
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würde.
    Er entschloß sich, irgendetwas zu tun, um diesen Moment der Einsamkeit zu vermeiden – den er mit der gleichen Angst erwartete, wie der Schlaflose die Stun de, zu der er zu Bett gehen muß. Er begann, ein Mäd chen zu treffen, dem er von einem Arbeitskollegen bei einem Konzert von Bachkantaten vorgestellt worden war, eine Studentin im höheren Semester an der Ameri kanischen Universität, deren Vater Staatssek re tär für den Fernen Osten im Außenministerium war. Sie kam jetzt regelmäßig am Sonntag nachmittag in ihrem kleinen Sportwagen, hupte, und die Witwe lächel te über etwas, was sie mit absoluter Gewißheit für eine Liebesaffäre hielt – aber die Liebesaffäre be stand in Diskussionen über Henry Adams’ Mont Saint-Michel and Chartres – und wenn er ihr Auf Wiedersehen sagte, und ihr kleiner weißer Triumph hinter der Kur ve im Schatten der großen Eichen verschwand, fühlte er sich noch deprimierter als zu der Zeit, als er die Sonntagabende allein verbrachte; deprimiert von all dem wohlerzogenen Geplauder über Glasmalerei, dem Schmerz, mit so wenig Gefühl so viel lächeln zu müs sen, den Küssen, mit denen sie sich nicht Gute Nacht sagten, und der Verführung, die nicht in diesem Raum im ersten Stock unter dem Dach stattgefunden hatte. Was ist bloß falsch bei mir, fragte er sich.
    Und dann kam Michael Floria, um nach der Schule für die Witwe zu arbeiten. Zu dieser Zeit hatte Malone sein Schwimmen nach der Arbeit aufgegeben, sein Ab grasen der Buchhandlungen von Georgetown, und vor allem die Kammerkonzerte, zu denen als lächerlichem Vorwand er das Mädchen mitgenommen hatte. Er fuhr jetzt jeden Abend direkt nach Hause, um im Garten der Witwe zu arbeiten und die Anspannung eines Tages voll intellektueller Anstrengung in der angeneh men Kühle der Erde hinter sich zu lassen, die ihm an den Händen klebte, wenn sie sie umgruben, um Platz für eine neue Pflanze zu schaffen. Sie hatte in unzäh ligen Reihen von verrostenden Blechbüchsen Pflanzen, deren Samen sie von den Hochebenen Asiens und aus dem Tal von Kaschmir mitgebracht hatte, und er be gann im Winter, sie umzupflanzen. Als sie sein Interes se daran bemerkte, stellte die Witwe zur Hilfe für Malone einen Schüler der naheliegenden Oberschule an, dessen Vater im Landwirtschaftsministerium arbei te te.
    Es war ein freundlicher, dunkeläugiger Italoameri kaner, der für seine Schule auf Schwimmwettkämpfe ging, und sich bei mehreren Universitäten beworben hatte. Während sie in den alten Blumenbeeten knieten, die Erde umgruben und sie um die neu gepflanzten Tee pflanzen festdrückten, gab Malone ihm Ratschläge, so gut er konnte. Er war sehr glücklich dabei: die kalte, schwarze Erde um seine Hände, das Licht, das durch die dunklen Magnolienblätter über ihnen schimmerte, und die dunkle Schönheit des jungen Mannes neben ihm. „Er ist mir eine große Hilfe!“ erzählte Malone der Witwe strahlend. „Ein wirklich netter Bursche.“
    Er dachte an die tiefe Woge von Hysterie, die über einen in diesem Alter kommt, wenn man lachen muß. Und er liebte es, Michael zum Lachen zu bringen. Er lachte manchmal so sehr, daß er vornüber auf den Boden fiel und lachend wie ein Verwundeter dalag, zwischen den Reihen der Teerosen und den Frangi pani-Bäumen aus Kaschmir, an einem späten Nachmittag im Winter. Dabei war gar nicht er verwundet. Es war Malone. Aber Malone wußte es bis zu diesem Zeit punkt ebensowenig wie der Mann, der an sich hinun ter blickt, um zu sehen, was er da Klebriges am Fuß hat, und feststellt, daß er blutet.
    Seine eigene Arbeit hielt Malone auf Trab, und eines Abends kam er von einem langen Tag nach Hause, an dem er nur Kreditvereinbarungen geschrieben hatte, und hörte, wie die Witwe ihm erzählte, daß es Micha els letzter Tag bei ihnen sei. Er hatte für den Sommer einen Job in Colorado angenommen, und ab dem Herbst würde er in Beloit studieren. Malone konnte die Gefühlsaufwallung nicht begreifen, die ihm das Blut aus den Lippen fließen ließ. Er ging aus dem Haus, in seinem Anzug und seiner Krawatte von J. Press, hielt noch, um ganz lässig zu erscheinen, seine Aktentasche mit den ganzen Briefentwürfen in der Hand, und fand Michael mit einem Sack Insektenvertilgungsmittel, aus dem er sorgfältig in eine Gießkanne löffelte. In diesem Moment spürte er seine Verletzung. Es war ganz offen sichtlich, so, als ob er einen Stich erhalten hätte. „Viel Glück“, Malone lächelte, als er ihm die Hand schüttel

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