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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Holleran
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radikalen Opera tion erholt. Und dann stand er eines Tages auf und ging am frühen Nachmittag, wenn, wie er wußte, Fran kie immer bei der Arbeit war, in die Stadt, um seine Sachen abzuholen; und er betrat ihre alte Fabrik und fand ihre alte Wohnung völlig kahl vor... nur ein klei ner Haufen Jeans in einer Ecke, und sein Tagebuch auf der Matratze, immer noch auf der Seite aufgeschlagen, auf der Frankie von seinen Seitensprüngen gelesen hatte. Malone ging zum Fenster und schaute in den glitzernd blauen Hafen hinab und erinnerte sich daran, wie sie dort im heißen Juliwindhauch gestanden und sich umarmt hatten; er schaute zum Kühlschrank, wo Frankie immer mit einem Haufen Eiswürfel gestanden hatte; auf die jetzt im hellen Sonnenlicht ganz staubige Matratze – und unvermittelt stürmte er aus dem Raum. Es war alles vorbei: tot. Er hatte keine Ahnung, wohin Frankie verschwunden war.
    Aber schlimmer noch, er war überall: Als er wieder in das Viertel von Sutherlands Wohnung ging, sah Malo ne in der U-Bahn, auf den Straßen ein halbes Dutzend junger Männer, deren tiefsinniger Gesichtsausdruck und deren dunkle Augen ihn aufforderten, sich umzu sehen, und sein Herz höher schlagen ließen. Das war für ihn der erste Geschmack der Verzweiflung. Er eilte zu Sutherland und schlug die Tür hinter sich zu wie ein Mann auf der Flucht.
    Und so war Malone dankbar, an den strahlenden Herbstnachmittagen abgesondert vom Treiben der Stadt bleiben zu können, während Sutherland den Tag auf den Herrentoiletten der U-Bahn oder während der Stoßzeit auf der Grand Central Station verbrachte, um die explodierenden Bedürfnisse von Versicherungs maklern aufzufangen, die zwischen einen Tag im Büro und einen Abend zu Hause mit ihrer Frau einge zwängt waren. Malone las und seufzte und dachte nach, aber er verbrachte den Tag nur selten allein; denn es kamen ständig irgendwelche Leute, um Suther land zu besuchen.
    „Wovon lebst du eigentlich?“ fragte Malone Suther land eines Tages, und erhielt zur Antwort: „Von der Hand in den Mund.“ Die üblichen Kategorien schienen sich auf seine Lage nicht anwenden zu lassen; Leute schickten ihm Flugtickets, und die zweite Oktober hälf te verbrachte Sutherland damit, in Cartagena Bridge zu spielen. Malone lag da, und beobachtete, wie eine nicht abreißende Kette von gutaussehenden jungen Männern durch die Wohnung zog, Männer, die er nie zuvor gesehen hatte. Es waren Gesichter, die dabei halfen, Müsli und Gin an die Massen zu verkaufen, und sie kamen zu jeder Tagesund Nachtzeit, bis schließ lich Sutherland, nachdem er aus Colombia zurück war, bestimmte Zeiten für den „Publikumsverkehr“ festsetzte, und an seinem Schreibtisch in einem schwarzen malerischen Hut saß, mit lackierten Finger nägeln und einer Gardenie am Aufschlag seines Chanel-Kostüms und die Verkäufe auf einer Rechen maschine addierte. „Kümmere dich nicht um sie, Liebes“, flüsterte er Malone zu. „Es sind nur Leute, die alles in Pillenform zu sich nehmen. Stört dich der An blick einer Spritze?“ fragte er in besorgtem Ton. „Wenn ja, können wir auch runtergehen ...“
    Es war dann der Regen, der Malone hinaustrieb; ein Regen, der von Boston herüberzog und zwei Tage Ende Oktober anhielt, ließ Malone seine Tennisschuhe anziehen, einen Regenschirm nehmen und aus der Wohnung flüchten. Überall sah man nur Liebespaare: sie warteten mit verlorenem, überdrüssigen Blick aufeinander vor den Lebensmittelgeschäften, bis ihr Freund mit einer Tüte Lebensmittel auftauchte, und sie Hand in Hand nach Hause gingen, um Abendbrot zu kochen. Bärtige Studenten und ihre Freundinnen stan den eng beeinander in der U-Bahn und faszinierten Malone, der auf die weiße, mit Adern durchzogene Hand des Mannes starrte, wie sie leicht auf dem Nacken des Mädchens lag. Er wanderte stundenlang in den Straßen herum, und endete schließlich verloren um drei Uhr morgens am Chambers Street-Bahnhof, allein in der feuchten Kälte und dem fluoreszierenden Licht, und dachte daran, daß er Frankie zum ersten Mal gesehen hatte, wie er mit einer Lampe in der Hand die Gleise entlanggelaufen war, ungefähr um diese Zeit in einer Nacht, die nun schon lange zurücklag. Später wanderte er nach Hause in die Madison Avenue, und hatte die Nacht, deren sanf t er Regen ihn deprimierte, zu Tode gelaufen. Er sah einen Mann un sicher auf sich zu torkeln, den er schon früher am Abend gesehen hatte, wie er in eine Toreinfahrt wank te, um sich vor dem Regen

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