Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Holleran
Vom Netzwerk:
eigenartige Gestalten herein-und hinaushuschen, die sich bemühten, möglichst leise zu sein: Es war Sutherland (und Freunde von ihm, die er mitbrachte, nur um ihnen Malone zu zeigen, der wie ein normannischer Prinz in seinem Stein sarg schlief) in gewaltigen Konstruktionen aus Papp mache – monströse Köpfe, Paradiesvögel, Höflin ge aus Paris und Padua, Figuren aus Filmen von Fellini –, der zu den Kost ü mbällen der Saison ging. Malone verpaßte in diesem Jahr den Fellini-Ball im Rainbow Room, die Löwenparty im Armory, die „Illusionen und Alpträume“ im Automat an der Fortysecond Street, während er nur im Bett lag und wie auf dem Meeres boden das widerhallende Echo der hupenden Taxis hörte – ein Klang, der aus den Tiefen zu ihm als Erin ne rung an seine Kindheit aufstieg, wenn er in den Ferien nach New York gekommen war.
    Sutherland hatte sich genauso in die Stadt verliebt – wenn New York für Malone in diesem entfernten Klang einer Taxihupe tief in den Schluchten von Man hat tan bestand, so für Sutherland in dem eigentüm lichen Geschmack eines Eisalat-Sandwichs, das in den Hotelcaf é s verkauft wurde, wo er mit großen Augen saß und darauf wartete, daß die Hotelpagen das Ge päck seiner Mutter herunterbrachten, bevor sie ein Taxi zum Pier 47 nahmen, wo eine Kabine auf der S.S.Rotterdam darauf wartete, sie nach Europa zu brin gen. Als er als Kind durchgereist war, hatte er sich in New York verliebt und in den besonderen Geruch seiner dumpffeuchten Luft, und in die Möwen, die die Masten seines Schiffes umkreisten, als es den Hudson River hinaus aufs weite Meer fuhr. Er hatte sich da mals in die Stadt verliebt, und obwohl es jetzt eine andere war, blieb dieser Rest von Zuneigung, überla gert von den Liebschaften seiner Jugend-und Erwach senenjahre. Um fünf Uhr, der Zeit, in der er mit seiner Mutter die Straßen hinabgewandert war, um in ein Museum, ein Geschäft, ein Restaurant oder ins Theater zu gehen, wachte er jetzt von der Party der vorange gangenen Nacht auf, wusch sich das Gesicht, und lief die Treppe hinunter, um den schönen Männern zu begegnen, die von der Arbeit nach Hause kamen, und wenn schon keinen Sex mit ihnen, dann wenigstens ein paar Cocktails zu genießen.
    Manchmal wachte Malone auf und sah Sutherland in dem Kostüm von Clara Barton, während er sich das Gesicht mit einer Flasche Ernst Laszlo wusch und sagte: „Du mußt dich jetzt langsam erholen, Liebling, es gibt so viele Leute, die es nicht mehr erwarten können, sich mit dir zu unterhalten! Ich habe schon so viele Ein la - dungen absagen müssen, weißt du“, sagte er und tupf te die in Reinigungsmilch getauchten Wattebäusche auf seinen Nacken, bevor er sie Malone auf die Stirn legte. Zu anderen Stunden wachte er auf und fand Sutherland dabei, seine Quiche zu vervollkommnen, oder in einem Nadelstreifenanzug unter einer Lampe* sitzen und laut Ortega y Gasset über die Liebe lesen.
    Malone lag wie ein Genesender auf dem Sofa und hörte seinen Worten zu, während er die Schatten betrach tete, die die Lampe an die Decke warf. Suther land hätte es nicht glücklicher treffen können: er hatte einen Schützling gefunden, der zugleich schön war und gerne zuhörte. Es war ihm immer ein Vergnügen, ein neues Gesicht in seine Clique einzuführen – unter denen man sich tödlich Langweilende genauso fand wie ganz Enthusiastische – und es ging ihm zu Herzen, jemand so reizvoll Verlorenen wie Malone zu beobach ten.
    Trotzdem gab es enorme Unterschiede zwischen den beiden, und wenn Malone sah, wie sich Sutherland durch seine buntscheckigen Tage bewegte, gab es vie les, was ihn abschreckte. Warum blieb er trotzden? Noch Jahre später würde er sich fragen, warum er an jenem Abend und die nächsten sieben Jahre bei Suther land geblieben war. Er kam nie darauf. Wenn er Suther lands Geschichten zuhörte, wenn er den Nach mittag damit verbrachte, die Bücher von Santayana, Plato und Ortega y Gasset zu lesen, mit denen ihn Suther land allein ließ, gelangte er allmählich zu der Überzeugung, daß die Großstadt die umfassendste Universität von allen ist, die einzig wirkliche, und daß all seine Bildung bis jetzt ein Witz gewesen war. Er, der Stunden über dem Studium der Geschichte des Obersten Gerichtshofes, der Entwicklung der prote stan tischen Ethik, dem religiösen Glauben von Her man Melville verbracht hatte, lag jetzt an den ersten kühlen Tagen des Herbstes so unbeweglich auf seinem Sofa wie ein Mann, der sich von einer

Weitere Kostenlose Bücher