Taenzer der Nacht
vorbeikommen sah, wobei er das Hand tuch wie ein Kind hinter sich her zog, und mit seiner Unbekümmertheit die Problematik seines sexuellen Lebens verbarg. Denn die Sauna war erniedrigend für Sutherland: Er ging mit in andere Kabinen, verschloß die Tür, und mußte sie nach zwei Minuten schon wie der verlassen, wenn sie – wie eine Hausfrau, die Eier begutachtatet oder Melonen drückt – seinen Schwanz getestet hatten und fanden, daß er zu wünschen übrig ließ. Er kehrte dann zu seiner Kabine zurück und be trank sich.
Malone kam erheblich seltener heraus als Sutherland, und wenn er es tat, glitt er geradezu im Schatten an den Wänden entlang. Aber die Leute sahen ihn trotz dem, und es machte mir immer Spaß, den Raum hinter Malone zu durchqueren, weil ich dabei so gut die verschie denen Gesichtsausdrücke der Leute betrachten konnte, die an ihm vorbeikamen, – vor allem, wenn sie Malone unvermittelt sahen und dann mit den Köpfen zusammenstießen oder gegen eine Wand liefen. Man mußte sich auf die Lippen beißen: denn Lachen ist in der Sauna nicht erlaubt. Saunen sind ernsthaft. Aber hinter Malone her den Flur entlang zu spazieren, ließ einen über die vielfältigen Reaktionen staunen, die Leu te angesichts fleischgewordener Fantasie zeigten: Stirnrunzeln, Starren, bemühte Versuche, nicht hinzu schauen (sodaß sie nicht abgewiesen werden konnten; das waren die stolzesten), während das Gesicht für einen Moment einen fast starren, schmerzverzerrten Ausdruck annahm, wie eine alte Jungfer, die all das verabscheute; und dann der wunderschöne Ausdruck reiner Freude und Ehrfurcht, wenn die Jüngeren den Mund aufrissen, und ihm mit den Augen folgten. Die Ungenierten tuschelten und sprachen ihn, wenn er an ihrer Kabinentür vorbeiging, wie Nutten an einer Straßen ecke an, oder sprangen von den Betten auf, auf denen sie gelegen hatten, um hinter ihm herzurufen. Die Aggressiven gingen zu Malone hin und boten ihm Dope an, wenn er in ihre Kabine komme, oder griffen ihm einfach an den Schwanz; und bald hatten alle ihre Kabinen verlassen und folgten Malone, genau wie ich.
Aus diesem Grund verließ Malone seine Kabine nur selten. Er wartete bis ziemlich spät in der Nacht, wenn fast alle schon schliefen, wie kleine Kinder, die gerade ihr Glas Milch bekommen haben, wenn es auch keine Milch, sondern eine andere Flüssigkeit war. Die Räume waren dunkel und ruhig und kühl, und nur ein entferntes Stöhnen oder das rheumatische Ächzen einer festgeklemmten Toilettenspülung, oder das Plät schern des Springbrunnens ließ die sonst makellose Stille spürbar werden. Die Sauna war dann beinahe friedvoll: Das heiße Glühen der Geilheit war erloschen. Der Ort wurde kurz vor Tagesanbruch für eine Zeit lang eine gewöhnliche Halle voller geschlossener Türen, oder offener Türen, in denen der Insasse, der einladend auf einer Bank lag, in Schlaf gefallen war und wüst schnarchte. Zu diesem Zeitpunkt ging Malone los und nahm sich, wen er finden konnte, und schlief mit ihm. Wir alle kannten Leute, die ihre zau ber hafteste Erfahrung spät in der Nacht in der Everard Sauna machten, mit einem Mann, den sie nie wieder sahen, aber an dessen Umarmungen sie regelmäßig für den Rest ihres Lebens dachten.
Dieses Jahr voller Umarmungen vor Morgengrauen bedachte Malone mit Feigwarzen, und wir sahen ihn kurz vor Weihnachten im Warteraum des Bellevue-Kran kenhauses, wie er an einem Pfeiler lehnte und einer Bach-Kantate zuhörte, die von einer Gruppe von Ärzten und Krankenschwestern für ihre Patienten ge sun gen wurde, die in Rollstühlen um sie herum saßen. Schnee fiel draußen vor den großen Fenstern, während sie sangen. Malone war ein gefühlvoller Mann, und er wurde traurig, während er diese Szene beobachtete. Seine Weihnachtsfeste waren immer religiös und mild tätig gewesen, und familiär; dieses Jahr war er allein in New York geblieben. „Ich habe Feigwarzen“, sagte er mit einem gequälten Lächeln, als das Konzert zu Ende war, und wir ihn fragten, was er im Bellevue mache. Wir waren für einander immer noch nur Leute, die sich beim Tanzen sahen, aber Malone war wie immer freundlich. „Ich bleibe in der Stadt, um sie mir behan deln zu lassen. Aber was macht ihr?“ Und er stand da und lauschte unseren Plänen mit seiner üblichen Aufmerksamkeit. „Also schöne Weihnachten“, sagte er lächelnd. „Und laßt von euch hören, ja? Suther land ist in Venezuela, und ich bin ganz allein, und Gott kennt einen Menschen, der
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