Taenzer der Nacht
Kleinere den Faden wieder auf, „betrug sich Frankie nicht mit Anmut und Würde, ganz und gar nicht, sondern er schmiß Malone im Cen tral Park auf den Boden und begann, ihm jede Rippe einzeln zu brechen; er war schon dabei, ein Messer herauszuholen, als Sutherland und die Polizei eintra fen und Malone retteten.“ Das stimmte überhaupt nicht, aber Sutherland hatte die Geschichte in künstle ri scher Freiheit so zusammengebaut, um das ganze lebendiger zu machen, und so war der Nachmittag, an dem Frankie schluchzend neben Malone gesessen hat te, jetzt in der weitläufigen Bibliothek des Klatsches zu einer Szene brutaler Gewalt geworden. „Und seitdem hat Frankie“, sagte der Besucher, „immer versucht, die Adresse von Malones Kaltwasser-Kammer – denn eine Wohnung kann man das hier wohl nicht nennen – heraus zufinden, aber ohne Erfolg.“
„Ist Sutherland im Krankenhaus?“ fragte der andere.
„Er ist in Südamerika“, erklärten wir.
„Oh“, sagte der erste, und drehte sich zum zweiten um, „er ist mit Kenny Lamar unterwegs, sie sind mit diesem Grafen hingefahren, du weißt schon, der eine, der jede Platte hat, die die Shirelles je aufgenommen haben, der, von dem dir Sutherland erzählte, er sei ein direkter Nachfahre der Diane de Poi-tiers, da also ist er“, sagte er in dem atemlosen Ton von jemandem, der zwei Stücke Klatsch zusammenfügt. „O Gott, die ha ben bestimmt eine tolle Zeit.“
„Gut“, sagte der zweite und stand auf, „das wollen wir jetzt auch haben. Malone würde wohl nicht wollen, daß wir die Party versäumen.“ Es war fünf Uhr mor gens, und die Wäscheleinen, die zwischen unserem Haus und dem dahinter gespannt waren, die Feuerlei tern und die flachen Teerpappendächer tauchten aus dem Grau auf. Eine Taube flatterte in der Dachrinne, eine Katze sah ihr vom gegenüberliegenden Fenster aus zu, während sie mit dem Schwanz hin und her schlug und mit den Zähnen klapperte, mit wild rollen den Augen, die den gleichen Ausdruck zeigten wie manchmal die Leute im Twelfth Floor. „Besonders, da all die Schönheiten schon ganz ausgeflippt sein wer den“, sagte der Kleinere. „Oh Gott! War Malone auf Trip, als er überfallen wurde?“
Wir sagten, wir wüßten es nicht.
„Wahrscheinlich nicht“, sagte sein Freund. „Malone nimmt nie Drogen.“ Bevor sie gingen, sagten sie noch, sie würden Ma l one am nächsten Tag besuchen; an der Tür drehten sie sich dann zu uns um, fanden uns plötz lich interessant und stellten sich vor. Die überwie gende Mehrheit von Malones Freunden hatte schon miteinander geschlafen. „Übrigens“, sagte der Große, „Ihr seid jetzt Teil einer besonderen Gemeinde.“ Und der andere nahm das Stichwort auf: „Wir sind alle sehr verschieden, aber wir haben eine Sache gemeinsam.“
„Wir beten Malone an“, sagte sein Freund. Und sie gingen zur Tür hinaus, und der Morgen war da.
Sutherland kehrte am darauffolgenden Montag aus Caracas zurück und kam zu Malone in der Tracht einer Krankenschwester aus dem Krimkrieg, um neben ihm zu sitzen und ihm aus Rudyard Kipling vorzulesen. Er erschien jeden Nachmittag in seiner gestärkten weißen Tracht und trug eine Mohnblume und ein Band des Dschungelbuches. Er legte das Buch eines Tages in der Mitte einer Geschichte hin, um Malone von einem Projekt zu erzählen, das ihm eingefallen war, als er eines Abends high im Hof von Nony Dillons Haus in Cara cas saß und auf sie wartete, bis sie eine Partie Bridge zu Ende gespielt hatte. Er hatte sich entschlossen, Malone zu verkaufen. Sutherland war schließlich ein Bürger der Upper, nicht der Lower East Side: Er hatte so lange unter Leuten gelebt, die Sachen verkaufen – ägyptische Skarabäen, türkische Teppiche, Party-Ideen – an alkoholkranke Damen in ihren Hotels, reiche Leute auf der Durchreise, Wohlhabende auf der Suche nach ausgefallenen Kunstgegenständen, daß ihm ein fiel, er könne auch Malone zu Geld machen. Denn man kann in New York City nicht sehr lange leben, ohne sich der Vorzüge des Reichtums bewußt zu werden! Denn die Stadt ist ja eine einzige ekstatische Übung im Vermarkten – und eines Abends während seiner Vene zue la-Reise setzte sich Sutherland ruckartig auf, als er eine Zeile von Santayana las: „Geld ist das Petroleum des Lebens.“ Er, der dazu erzogen worden war, Geld als etwas leicht Ordinäres zu betrachten, wollte jetzt plötzlich, da die Illusion der Liebe ihn nur noch selten überfiel, materielle Dinge: Er wollte ein Haus
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