Taenzer der Nacht
es haßt, um diese Zeit allein zu sein.“ Er ging hinaus und drehte sich einmal um, um zu winken, in der Menge armer Leute, die in diese Klinik kamen, um sich kostenlos behandeln zu lassen, genau wie er, der noch ärmer war als sie.
Weihnachten kam und ging: ein stumpfsinniger, grauer Tag, an dem der Schnee durch die leeren Straßen blies, und die Penner Feuer in den Abfall eimern der Bowery entzündeten. Malone kam eines Nachts von einer Party nach Hause und konnte nicht einschlafen. In der Dunkelheit verflüchtigte sich der ober flächliche Abend, den er gerade hinter sich ge bracht hatte, und ließ ihn mit der Übe r zeugung zu rück, daß er gerade die Leute vernachlässigt hatte, die er wirklich liebte. Er hatte sie stehen gelassen um der Gesellschaft von Leuten willen, die ihm nichts bedeu teten, als daß er mit ihnen getanzt hatte, Spaß gehabt und das Wochenende verbracht. Er setzte sich auf, sein Herz klopfte in der Finsternis, wurde überflutet von der Erinnerung an die Mitglieder seiner Familie, die nett zu ihm gewesen waren und ihn so geliebt hatten wie niemand sonst, mit einer grundlegenden, durch nichts in Frage zu stellenden Liebe, – und er entschloß sich, eine Stunde vor Morgengrauen, ihnen allen morgen zu schreiben, sogar nach Hause zurückzu keh ren und sich an diese Seelen für den Rest seines Lebens zu klammern. So allein, voll Panik, überflutet von einer seltsamen Liebe, wie er da saß im Bett, und nur die Autos hupen hörte, kam Malone zu der Überzeugung, daß Frankie nur auf ein Zeichen von ihm wartete. Er würde ihm ein Weihnachtsgeschenk kaufen für diesen romanischen Feiertag, das Epiphaniasfest. Und am näch sten Tag ging er hinaus – und hatte alle Gedanken an seine Familie im hellen Sonnenlicht vergessen –, um Geld für sein Geschenk zu sammeln, indem er ein paar Kunden besuchte. Und so verbrachte er die grauen verschneiten Nachmittage nach Weihnachten, indem er durch die Stadt lief inmitten der Mengen, die aus den großen Kaufhäusern strömten, wo sie ihr Geschen ke umtauschten, ein Händler unter anderen.
Wir liefen ihm ein paar Stunden vor Mitternacht an Silvester auf der Straße in die Arme. Er trug eine schwarze Fliege und einen schwarzen Mantel (wie die meisten aus Halstons Umgebung, wie die meisten, die eine Weile in New York gelebt hatten, waren wir alle bei der Farbe Schwarz angekommen; es war im Grun de genommen eine Vorliebe, von der ich nie wußte, ob sie Zeichen unserer Kultiviertheit oder der Tatsache war, daß wir um unser Leben trauerten) und eine Flasche Champagner in der Hand. Er kam gerade von einer Dinner-Party in der Stadt, weil Silvester (wie Weih nachten, Erntedankfest und Ostern) eine stim mungs voller Anlaß war, den er immer mit seiner Familie gefeiert hatte; er wollte keine Fremden um Mitternacht küssen, die ihm nichts bedeuteten. Er war auf dem Weg zum Plaza Hotel, um dort einen Mana ger aus Minneapolis zu besuchen, den er in der voran gegangenen Nacht in die Discos mitgenommen hatte, und der Malone fotografieren wollte. Er schien erfreut, uns zu sehen, und bat uns in sein Zimmer, um einen kleinen Drink zu nehmen und danach tanzen zu gehen. Wir hatten tatsächlich den ganzen Tag damit verbracht, uns von den Buschtrommeln mitteilen zu lassen, wo man heute nacht hinginge; es gab jetzt so viele Diskotheken, daß das Leben nicht mehr wie im ersten Jahr darin bestand, ins Twelfth Fl oor zu gehen und in dem engen Raum jeden zu finden, den man lieben wollte. Nein, selbst diese wertvolle Bruderschaft war jetzt zersplittert, und die Hälfte war in der Kari bik, oder in Paris, oder in den verschiedenen Clubs, die überall in der Stadt eröffnet hatten, jetzt, da Disko - theken ein Bombengeschäft waren. Nicht nur wußten wir nicht, wohin wir heute nacht gehen sollten, son dern wir hatten auch keine Heizung in unserer Woh - nung, und als Malone das erfuhr, gab er uns seine Schlüssel und sagte, wir sollten bei ihm warten, bis er zurückkomme. „Ich habe einen Heizlüfter“, sagte er in seiner frischen, herzlichen Art. „Das Paar nebenan wird sich wieder heftig streiten, so habt ihr Unterhal tung, bis ich zurückkomme. Ich werde nur eine Stunde weg sein!“
Wir gingen ins Haus hinein und begannen, unter den dünnen Röhren fluoreszierenden Lichts, das krampf artig über die kotzbraun gestrichenen Wände flackerte, die Treppen hinaufzusteigen. Ganz oben fanden wir die Nummer 36 und schl o ssen die Tür auf. Es war eine alte Wohnung, und eigentlich nur eine
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