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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Holleran
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wir an diesen Frühlingsabenden auf der Treppe und beobachteten, wie die Bewerber um Malone kamen und gingen. Sutherland war nur wenig interessiert an Subtrinen, die nichts anderes konnten, als ein Tamburin zu schwingen und nett auszusehen. Er war jetzt ganz Geschäftsmann. Die Tatsache, daß er reiche Männer und einen schönen Freund zusammen brach te, störte ihn überhaupt nicht – ganz im Gegen teil, es machte ihm sogar Spaß – aber die Tatsache, daß er es machte, um Geld zu verdienen, störte ihn doch gewaltig. Die rechte Hand wollte nicht, was die linke tat. Als er auf dem Bürgersteig unter uns auf einen Kun den wartete, der sich angesagt hatte, näherte sich Sutherland ein Bettler, streckte seine Hand aus und sagte: „Ich habe Hunger.“ Und Sutherland sagte zu ihm mit der unterdrückten Hysterie, die hinter seiner atemlosen Stimme lauerte: „Ich habe auch Hunger, nach Liebe, Selbstachtung, religiöser Sicherheit. Du hast nur Hunger nach etwas zu essen.“ Und er gab dem Mann ein Valium. Und wie er da in der unterge hen den Sonne stand und auf einen sagenhaft reichen Kunsthändler wartete – ein Kunsthändler, der Malone schon mit Sutherland auf Einladungen gesehen und sich immer gesehnt hatte, ihn kennenzulernen – schlug er nervös mit seinem Fuß auf das Pflaster, haßte auch jetzt, irgendetwas für Geld tun zu müssen. „Aber ich habe doch alles, was man sich nicht kaufen kann“, jam merte er zum geduldigen Mond, während sich die Nut ten am Imbißstand versammelten, „Charme, Ge schmack, einen wissensdurstigen Geist. Warum denn der Kohle nachlaufen? Weil“, rief er sich selbst in Erin nerung, „Flugtick e ts Geld kosten. Du lieber Gott! Ganz zu schweigen von Häusern in Griechenland!“
    Seit Malone nach New York gekommen war, hatte er zahlreiche Angebote von wohlhabenden Männern be ko m men, verglichen mit der geringen Anstrengung von seiner Seite. Die Leute wollten Malone haben, ge nau so wie sie Vasen aus China, Kommoden oder Coro mandel-Gemälde haben wollten. Und so, während der Frühling an der Lower East Side durchbrach, saßen wir des Abends draußen auf unserer Veranda und sahen sie kommen und gehen: der Düngemittelerbe, der argen tinische Architekt, reiche Drehbuchautoren, In nen architekten, Besitzer von Textilfirmen – Sutherland ließ sie alle durch die Wohnung laufen, wie die Leute im Stadtzentrum bei Parke-Bernet durchliefen und die Kunstwerke besichtigten, bevor sie ihr Gebot abgaben.
    Unterdessen ließen die Polen in ihren dunklen Anzü gen und den in den Nacken geschobenen Hüten alles an sich vorüberziehen, als ob gleich ein Begräbnis in der Kirche weiter unten an der Straße begangen wer den sollte. Die Straße war so weit herabgesunken, daß Polen und Puertoricaner, diese beiden nördlichen und südlichen Menschenrassen, sie mit dem grellen Chaos der Prostitution für ein paar Dollar überfluteten.
    Eines Tages kamen wir die Treppe hinab und sahen einen Krankenwagen vor dem Haus stehen, und fünf Minuten später kam ein zugedeckter Körper auf einer Bahre aus dem Haus. Es war eine der Mieterinnen, die hustende Dame, die seit fünfunddreißig Jahren allein in ihrer Wohnung im vierten Stock gewohnt hatte, und die schon vor über einer Woche gestorben war, ohne daß es jemand gemerkt hätte.
    „O Gott, so werden wir alle einmal enden“, jammerte Archer mit dünner Stimme.
    „Nicht, wenn wir genug Estee Lauder auftragen“, sagte Sutherland gepreßt, als er hineinging, um Ma lone Eis und Zigaretten zu bringen.
    Manchmal saß Malone mit uns bei Sonnenuntergang auf dem Balkon und betrachtete das Viereck des Him mels am westlichen Ende unserer Straße, wie es erst im brennenden Orange der untergehenden Sonne glühte, dann rot wurde, und dann zu einem fahlen Blau, das an den Dachrändern immer tiefer und tiefer wurde, bis es ein reiches und faszinierendes Indigo erreichte, das man nur in der Stadt sieht. Malone war ganz beeindruckt von Männern wie unserem Haufen Polen, die stundenlang dastanden und sich unterhielten und den vorbeigehenden Leuten zuschauten. ,,Als ich das erste Mal in die Stadt kam“, sagte er eines Abends, „konnte ich überhaupt nicht verstehen, wie diese Leute einfach vor ihrem Haus sitzen können und den ganzen Abend die vorbeigehenden Leute betrachten. Das machte mich ganz verrückt! Ich dachte, wie kann man nur so bequem sein, wie kann man sein Leben darauf reduzie ren, und es regelrecht verschwenden, daß man vor seinem Haus steht, und den

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