Taenzer der Nacht
verzweifelt, sein Malone möge hier sein. Die dunklen Gestalten, die er prüfend anstarrte, während er die Bänke entlang ging, und von denen die Hälfte meinte, er sei auf Jagd und ihn deshalb aufforderte, sich doch zu ihnen zu set zen, waren alle nicht Malone.
Dann kam er zu uns, setzte sich und stieß hervor: „Ich suche Malone!“ Wir sagten, er sei nicht in der Stadt. „Nicht in der Stadt! Wie lange schon? Wann kommt er zurück? Wohin ist er denn gefahren?“ stam melte er. Und wir berichteten, er werde noch in der glei chen Nacht zurückkommen. Er war betrunken und aufgeregt, und die Anspannung seiner Suche, die warme Dunkelheit, ließen ihn trotz seiner gewollt un ver fänglichen Fragen bekennen, was er für unseren gemeinsamen Freund empfand.
„In ihm sind alle Jungen, die ich in meinem Leben geliebt habe“, sagte er, während der Schwarze in sei nem Trenchcoat auf der Bank neben uns schnarchte, und die glühenden Zigaretten in der Dunkelheit tanz ten, wie Votivkerzen vor einem Heiligenbild. „Der Jun ge, in den ich in Le Rosey verliebt war, der Junge, der den Rasen von Hampshire House an dem Tag mähte, an dem wir zur Beerdigung meines Großvaters fuhren, mein Cousin Paul, der irische Medizinstudent, den ich eines Nachts in Afrika in einer Hütte auf dem Ngoro ngoro traf, sie alle werde ich nie vergessen! Noch auf meinem Totenbett werde ich mich an ihre Gesichter erinnern! Aber Malone, Malone umfaßt sie alle; alle diese Jungen, diese Sommer, den Geruch von Gras, wenn es im August gemäht wird, die Hitze eines Sommer tages, Talkumpuder, leere Zimmer, glühende Flie sen, Schweizer Seen, Tannenwälder um Heidelberg, Malone ist das alles!“ Und damit sprang er auf, rannte aus dem Park und schnappte sich ein Taxi.
Das war das letzte, was wir für eine Weile von ihnen sahen – John fuhr nach Maine, um ganz in weiß mit seiner Familie die Küste auf und ab zu segeln, und Dr. Valeriani-Winston kehrte nach Argentinien zurück. Suther land blieb uptown. Malone war zu Kunden un ter wegs. Es wurde in jenem Sommer sehr bald sehr heiß – eine gewaltige Hitze, die das East Village beina he an Wunder glauben ließ: das Wunder von Schatten und Brisen, und der Sonne, die den ganzen Tag herunterbrannte, bis abends ihre Kraft brach und die Hitze in schimmernden Wogen vom Pflaster wieder in den klaren blauen Himmel aufstieg. Die Feuerhydran ten waren offen und liefen Tag und Nacht. Die Pfir siche an den Obstständen der Second Avenue wurden überreif, die Straßen südlich vom Astor Place waren leer bei Sonnenuntergang, und jede Erscheinung, der man begegnete, wenn man südwärts wanderte, schim merte erst undeutlich in der Entfernung, um dann die Gestalt einer Gruppe von Jungen anzunehmen, die auf einem von Glasscherben übersäten Grundstück Ball spielten.
Und wenn man Sutherland auf der Fifth Avenue begeg nete, nachdem die Büromenschen nach Hause geeilt waren, um auf dem Lande Tennis zu spielen, bevor das Tageslicht zu schwach wurde, war auch er ganz ekstatisch, wenn er nach einem Nachmittag in der Herrentoilette des Grand Central zu einem Plausch stehenblieb, während er sich ein Schamhaar aus den Zäh nen fischte: „O mein Lieber, es gibt keine andere Zeit, überhaupt keine andere Zeit als die jetzt, wenn die Stadt überreif ist, wie eine Frucht, die dir gleich in den Schoß fällt, und die Unterhosen der ganzen jungen Börsenmakler dampfen! Du meine Güte!“
In der schlimmsten Hitze saßen wir in unserem Park bis vier Uhr früh, weil die Wohnung wie ein Ofen glühte.
Der Park war der einzige Ort in unserer Nähe, an dem man etwas Kühlung finden konnte, und als die Nächte immer noch heißer wurden, wurde er ziemlich voll. Der Park wurde von zwei Sorten Leuten benutzt, die zu verschiedenen Tageszeiten kamen. Die erste Grup pe kam früh am Abend, um ihre Hunde auszu führen, bevor sie in den klimatisierten Schlafzimmern ihrer Wohnungen an der Nordseite des Parks schlafen gingen; sie waren normalerweise um Mitternacht schon weg, und dann strömten, wie Geister, wie Ko bol de, die Ausgestoßenen, die Tunten, die Besoffenen und Verrückten herbei. Hier in der Dunkelheit schwam men einen Moment lang die schmierigsten Elemente der Lower East Side auf der Oberfläche, wenn die Mittelklasse schon den Strand verlassen hatte, und verschwand vor Morgengrauen wieder auf den Grund. Das Morgengrauen, der beleidigendste Mo ment für einen Homosexuellen, wenn der Himmel über ihm hell wird, und die Vögel zu
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