Taenzer der Nacht
und einen jungen Mann, ihren Gesell schaf ter, wie sie im Herbst auf ihrem Boot Canasta spielen. Oh!“ er stöhnte auf, als eine Frau in kirsch rotem Kaftan aus der Kabine ihrer Motoryacht kam und sich eine Zigarette anzündete, während sie den Hafen mit dem grimmigen, aufgedunsenen Gesicht von jemandem überblickte, der gerade vom Mittags schlaf aufgestanden ist. „Da ist sie ja! Ihr ganzes Ver mögen beruht auf Staubsaugern! Tatsache!“ sagte er atemlos , „ Wenn du auf einen bestimmten Knopf drückst, saugt sich ihr Boot von selbst! Was werden die Kindsköpfe noch als nächstes erfinden?“ Er lächelte nervös über die Welt im allgemeinen und zischte dann plötzlich zwischen zusammengepreßten Zähnen, als wir an zwei schönen jungen Männern vorbeikamen, die wie barfüßige Engel mit Tüten voller Joghurts aus dem Lebensmittelladen kamen. Und er fuhr fort zu plaudern, zu zischen, zu stöhnen, und uns zu drängen, hier ein außerordentliches Beispiel spießiger Ge schmacks entfaltung und dort von körperlicher Schön heit zu betrachten, während wir weiter dem Haus zu wanderten. „Glaubt ihr, der Grund dafür, daß Ameri kaner so langweilig sind, liegt darin“, sagte er atemlos und drehte sich auf einmal am Hafenrand um, um auf die weißen Boote zu schauen, die Lädchen, die Son nen dächer und das Hotel, „daß sie an das Glück auf Erden glauben?“
Es gab einen Mann, den Sutherland nur hier einmal im Jahr sah – ein Schweizer Kinderarzt, der seinen Jah res urlaub in den letzten zwei Augustwochen in Pines verbrachte. Sie sahen sich jedes Jahr, und das Gesicht des Arztes war verzerrt von Verlangen, wenn er Suther land am Strand, auf Parties oder in einer Bar anschaute, und sie sprachen nie miteinander. Im letzten Monat ging Sutherland täglich ins Sportstudio, um seinen Körper wieder aufzubauen, den er jedes Jahr um diese Zeit wieder zum Leben erweckte. „Meine Brüste“, sagte er mit heiserer Stimme, während er sich mit über der Brust gekreuzten Armen vorbeugte und mit jeder Hand an einer Brustwarze zwirbelte, „sind jetzt größer als die meiner Mutter. Und nur an den Brüsten wollen sie lutschen und reiben und ziehen“, seufzte er, als wir den Strand entlang gingen. „Versteht ihr? Wie Auden sagt, wir wollen nicht nur geliebt wer den, sondern wir wollen als einzige geliebt werden“, sagte er, während der Mann am Strand vor dem Haus, das er jeden Sommer mietete, ihn, seinen alljährlich zu Fleisch werdenden Traum, anstarrte.
„Er ist ganz krank vor Geilheit“, schmunzelte Suther land, während er im flachen Wasser stehen blieb und vorgab, nach Muscheln zu suchen. „Er starrt mich an wie ein Hund, der gerade an Gift stirbt. Er hat in seiner Bauchhöhle ein Gefühl, das – freue ich mich zu sagen – unerreichbar ist für alle handelsüblichen Gegenmittel, unerreichbar selbst für Drogen, unerreichbar für alles außer diesen Titten“, sagte er und strich mit seiner Hand zu einer Brustwarze und berührte sie sanft, in der Pose von Botticellis Venus, die aus dem Schaum steigt. „Aber er wird keinen Schritt tun, und ich auch nicht. Wie die Kinder“, seufzte er und fing wieder an, den Strand hinunter zu gehen. „Genug Bosheiten für heute.“
„Was für ein Roman!“ sagte der Mann aus Rom. „Zwei Leute kommen jeden Herbst in denselben Bade ort und sprechen nie miteinander...“
„Sprechen nie miteinander“, sagte Sutherland in sei ner tiefen, kehligen Stimme und schaute starr gerade aus, während wir an den Leuten vorbeiwanderten, die uns betrachteten wie Partygäste, die sich Leckerbissen am Büffet aussuchen, „und dann, am Ende ihres Le bens, wenn sie beide alt sind, aber immer noch in diesen Badeort kommen, sprechen sie endlich. Und!“
„Und?“ fragte der Mann aus Rom.
„Du bist doch der Dichter“, seufzte Sutherland.
„Aber ich habe keine Phantasie“, sagte dieser und biß sich auf die Lippen, während er auf das Wasser hinun terstarrte, das seine Knöchel umspülte. „Ich kann über haupt nichts erfinden.“
„Was würden sie wohl sagen?“ meinte jemand.
„Sie würden einen von drei Sätzen sagen“, erwiderte Sutherland, „ ‚ Sind Sie Jude?’ , ‚ Kommen Sie oft her?’ , ,Leben Sie bei Ihren Eltern?’ Meine Lieben, letztlich ist Liebe vor allem Vorfreude und Einbildung, und wenn sie sich endlich kennenlernen, sagen sie zueinander etwas völlig Belangloses. Viel zu belanglos! Das ist schlicht und einfach die Geschichte von Fire Island, die ihr
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