Taenzer der Nacht
Wellen flutete, in denen sie stan den und auf den nächsten Brecher warteten.
„Warum bin ich nur so ein Puritaner?“ sagte Malone unvermittelt. Er stand auf, suchte Handtuch und Ziga retten zusammen und schaute zu mir herunter, als ob ich ihm das beantworten könnte. „Ein Puritaner ist wie ein eingefleischter Verbrecher“, lächelte er. „Er kann sich nicht bessern.“ Dann verabschiedete er sich, um sich für das Sieben-Uhr-Boot zum Festland fertig zu machen, wanderte los und überließ die Welt mir und der Dämmerung.
In der Stadt wurde es jetzt wirklich sehr heiß – so heiß, daß wir nachts unbeweglich und trotzdem schweiß überströmt im Bett lagen. Katzen lagen auf den Bürgersteigen umher, als ob sie von Autos er wischt worden wären. Jeder ging auf die Straße hinaus und saß dort, so lange er konnte, bis es Zeit war, ins Bett zu gehen. Sutherland und Malone fuhren immer an den Strand und zurück, denn Malone langweilte sich dort inzwischen entsetzlich. Er hatte sich in die brütende Hitze der Stadt verliebt. Er genoß es, mor gens hinaus zu gehen und die Puertorikaner auf den Straßen herumlaufen zu sehen, die ihr Hemd ausge zo gen und in ihre Gesäßtasche gesteckt hatten. In diesem Sommer verbrachte er ganze Tage damit, nur in der Stadt spazieren zu gehen. Er durchwanderte die Straßen und Parks mit dem tiefen Vergnügen von jeman dem, der sich von einem Ort verabschiedet; sobald man ihn schon fast als Vergangenheit ansieht, wirkt er besonders reizvoll. Er lag auf dem Rasen im Central Park und beobachtete die Gesichter, die ihn im Vorübergehen oder, wenn sie beim Fußballspielen auf staubigem Feld auftauchten, in Bann gehalten hatten.
Malone wurde zu diesem Zeitpunkt klar, daß er auf gehört hatte, ein Homosexueller zu sein, und zum Päde rasten geworden war. Der Typ, der ihn eines Nachmittags dazu brachte, stehen zu bleiben und sich auf einen grasbedeckten Abhang zu setzen und sein Fußballspiel zu betrachten, war nicht älter als zwanzig, in der ersten Blüte seiner Schönheit; und trotzdem betrachtete ihn Malone, wie er da mit dem Ball durch die vom Spiel aufgewirbelten Staubwolken lief, mit einer gewissen Abgeklärtheit, eine Frucht der Jahre voll Aus sichtslosigkeit. Vor fünf Jahren noch hätte diese Per son ihn ins Herz getroffen, ihn mit solcher Ver zweif lung erfüllt, daß Malone den Rest dieses Tages und noch die darauffolgende Nacht ganz davon erfüllt gewesen wäre; und er wäre durch die Bars und Saunen gezogen in der Hoffnung, jemanden diesen Typs zu finden. Und am nächsten Nachmittag wäre er wieder an den gleichen Ort zurückgekommen in der Hoff nung, ihn wieder spielen zu sehen. Je t zt war das anders. Er trug alte weiße Turnhosen und ein ausge blichenes rotes Polohemd. Er hatte tiefschwarzes Haar und große dunkle Augen, und er hatte den Sommer nicht in der Sonne verbracht, denn seine Haut war weiß wie Elfenbein.
Jahre früher wäre Malone nach Hause gegangen, hät te jemanden angerufen und gesagt: „Du hättest wirk lich diesen Knaben im Park heute sehen müssen!“, als ob irgendetwas, irgendjemand dieses Naturwunder auf zeichnen müsse. Nun nahm er es einfach hin. Er wußte jetzt ganz gut, daß des jungen Mannes Schön heit nichts weiter war – nur eine physische Tatsache: Schönheit – und er, Malone, konnte sie nicht verehren, oder, schlimmer (wie so viele Leute, die er noch kann te) sie besitzen, verbrauchen, verdauen. Die Schönheit des Jungen wurde für Malone, wie er da im Gras lag und ihn in den Wolken von weißem Staub herum ren nen sah, schön wie ein Mythos auf dem Schlachtfeld von Troja, zu einer unpersönlichen Tatsache, so unper sönlich wie die Schönheit eines Baumes, des Himmels, einer Meeresküste, eine Tatsache, die ihn genauso we nig zwang, ihn zu umarmen wie eine besonders lieb liche Blutbuche. Er lag da und schaute zu, wie der Junge sein erhitztes Fußballspiel spielte, aber er be trach tete auch die Wolken, die über die Sonne zogen; und als die Mannschaft schließlich aufhörte und über den Rasen in den Central Park West wanderte, stand auch Malone auf und ging ruhigen Gemüts weg.
Und so kam Malone an diesem Nachmittag zu einer Art Waffenstillstand mit der Stadt: Jetzt, da er einen Weg hinaus gefunden hatte, und ihn ihre Gesichter nicht mehr gegen seinen Willen festhielten, verließ er sie. Er war frei. Frei zu gehen. Frei sogar, Sutherland ein letztes Mal einen Gefallen zu tun, und auf der Party in Fire Island aufzutauchen, was ihm bis
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