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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Holleran
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jetzt verwerflich vorgekommen war. Er war sehr munter – warum, wußten wir nicht – als wir alle zusammen in den Zug stiegen, und er setzte sich neben Sutherland, der prompt einschlief. Auf halbem Weg nach Sayville setzte sich ein junger Mann mit Schnäuzer und Brille gegenüber unserer kleinen Gruppe von Zigeunern hin, der aussah, als ob er auf dem Weg von einer Klavier stunde in Kew Gardens nach Hause sei; und nachdem er Malone eine halbe Stunde lang mit der kühlen Intensität eines Terroristen, der gleich den Zug in die Luft sprengen will, angestarrt hatte, begann er zu wich sen. „Mit wie vielen Leuten auf diesem Zug ich schon im Bett war“, sagte Malone, als er seinen Kopf vom Buch hochhob, und seine Augen funkelten. Er stupste Sutherland an und erklärte leise, warum wir uns woandershin setzen müßten; aber Sutherland gähn te nur und sagte: „Das hängt davon ab, Liebling, wie groß er ist.“ Er beugte sich vor und bemerkte dann: „Mein Lieber, ich glaube, das ist noch kein Grund, nach dem Schaffner zu rufen. Wenn es in dieser alten Kiste überhaupt einen Schaffner gibt“, mur melte er und schloß wieder die Augen; und dann blieb der Zug stehen, der Zugführer rief „Sayville!“, und wir verabschiedeten uns alle von Sutherland und stiegen aus.
    Sutherland blieb im Zug, um nach East Hampton zu fahren und eine Perücke abzuholen, die eine Frau dort sich schon vor Monaten von ihm geborgt hatte, „und mit dem üblichen Takt der obszön Reichen“, sagte er atemlos und kochend vor Wut, „erlaubte sie ihrem Iri schen Wolfshund draufzupinkeln und vergaß dann, sie mir zurückzugeben.“ Die Perücke, erfuhr er bei seiner Ankunft in East Hampton, war schon in der Woche zuvor mit dem Dienstmädchen in die Stadt gereist, und so mußte Sutherland am Vorabend seines Festes quer über Long Island in stickigen Zügen hin und her fahren, auf der Jagd nach seiner Lieblingsperücke. „Die Geschichte einer ganzen Generation!“ stöhnte er, als er schließlich am nächsten Nachmittag per Wasserflug zeug in Pines eintraf.
    Seine Ankunft war tatsächlich ein Anblick, den ich nie vergessen werde: Sutherland auf dem Schwimmer des Wasserflugzeugs, als es kurz nach drei langsam in die Bucht trieb, Pumps in der einen Hand, einen Dai quiri in der anderen, eine hellrote Perücke auf dem Kopf, und mit eleganten Perlenohrringen. Er hatte vier zehn Stück Gepäck dabei, die wir ihm ins Haus tragen mußten, und war ganz verwirrt, als er erfuhr, daß Malone irgendwo weit die Küste hinunter in einem anderen Ort war und in den Werken des Heili gen Augustinus las.
    „Mutti ist sehr nervös“, sagte er atemlos, als wir durch das Wasser watend zu ihm hinkamen, „wirklich zu viele Dinge in den Kopf zu nehmen. Sind die Blu men schon da?“
    Wir versicherten ihm, ja, und wuchteten dann die Vuitton-Koffer auf den Kopf.
    „Mir tut das so leid, mit den Koffern“, sagte er, „ich weiß, sie sind etwas prätentiös.“ Er biß sich auf die Lip pen. „Aber sie waren es noch nicht, als meine Groß mutter sie 1926 kaufte.“
    Wir folgten ihm wie Sklaven im Kamerun ihrem Herrn ans Ufer und passierten die bevölkerten Terras sen des Strandhotel, wo vierhundert aufgeputzte Ho mo sexuelle ihre Cocktails neben den weißen Motor yachten tranken, auf denen jüdische Familien Canasta spielten, und straften den drei Meter entfernten Mob mit Verachtung – eine Fähigkeit, Leute zu ignorieren, die man sich in den Aufzügen New Yorks aneignet.
    „Glaubt ihr, dieses Haus“, sagte Sutherland, während er sich die Augenbrauen in dem strahlenden, mit Spiegeln ausgekleideten Wohnzimmer nachzog, „ist prunkvoll genug? Sie haben mir das nebenan für vier tausend Dollar angeboten, aber ich habe ihnen gesagt, das sei wohl nicht ganz ausreichend. Nein“, sagte er beim Umherlaufen, „ich wollte etwas wirklich Auf dring liches. Und so ist dies also jetzt der Raum, in dem wir unsere Tochter in fremde Hände geben. Die gerade Sankt Augustinus liest“, schnaubte er verächtlich, „in Point o’Woods. Malone hat, muß ich sagen, einen Hang zur Melancholie, der wirklich sehr unglückselig ist, wenn auch die Hälfte seines Erfolges. Wir sind doch alle verliebt in die Traurigkeit des Lebens! Diese schwere, wehmütige, verzweifelte Sehnsucht, die seine Augen umschattet, wie ein Parfüm von Guerlain, an dessen Namen ich mich gerade nicht erinnere. Ich habe versucht, ihn vergnügt zu halten“, sagte er, während er in der Glastür stand und aufs Meer

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