Taenzer der Nacht
Terrasse eines wildfremden Hauses mit einem Daiquiri in der Hand erscheinen und behaupten, er habe gerade gesehen, wie ein Mann in den Dünen von einem anderen mit einem Holzbein gefickt wurde, während er nur sein Mantra in der auf ge henden Sonne habe singen wollen. Fire Island be deutete Verrücktheit, heiße Nächte, Küsse, und Hor den von überwältigenden Männern: ein nationales Jagd revier, das sich alljährlich wieder mit Männer anfüllte, die jeden Sommer aus jedem Bundesstaat zu sammenströmten, mittels einer U-Bahn ganz eigener Art. Wie die Trivialschriftstel lerin Harriet Bee cher Stowe gekleidet, marschierte Sutherland jedes Mal zum Hafen, wenn eine neue Schiffsladung mit Schütz lingen ankommen sollte.
Die Tatsache, daß sie nur wenig im Kopf hatten, be wog ihn schließlich, seine Vorliebe auf Hampton zu ver lagern, wo die Homosexuellen zwar dicker und älter waren und pastellfarbene Hosen trugen, aber doch zumindest bei Cocktails auf kurzgeschorenem Rasen Samuel Beckett oder den letzten Roman von Iris Murdoch diskutieren konnten.
Was Malone anging – obwohl jetzt für seinen Ge schmack der tollste Strand nicht gegen das schmud de ligste Stückchen Straße der Lower East Side ankam, wo Ramon und Angel Handball gegen eine Hausmauer spiel ten – so hatte er, als er das erste Mal nach Fire Is land kam, das Gefühl, das Paradies entdeckt zu haben; und es dauerte immerhin drei oder vier Sommer, bis er einräumte, daß es auch noch etwas anderes gab. Suther land und Malone hatten in Wirklichkeit mehr Sommerurlaube hier verbracht, als sie sich eingestehen wollten; denn fortwährend und unwiderstehlich, wa ren hier den ganzen Sommer lang doch zumindest Leute, die es liebten zu tanzen. Und so kamen Suther land – der es vulgär fand – und Malone – der es grau sam fand – doch immer wieder, denn nirgendwo sonst auf der Erde konnte man in der gleichen Atmosphäre tanzen.
Jeder Sommer erlebte Hunderte von Parties, aber der von Sutherland ging ein besonderer Ruf voraus: auf grund des Hauses, in der sie gegeben wurde, aufgrund Sutherlands Renommee, und weil es genau der richtige Zeitpunkt war, die Saison mit einem Kehraus zu be enden. Die Gästeliste war schon eine Sensation für sich, und die üblichen Gerüchte, daß Liza Minelli und Truman Capote kommen würden, machten bereits die Runde. In jedem Sommer wurde mehrmals behauptet, daß sie auftauchen sollten, aber sie waren bisher noch nie erschienen. Dieses Jahr waren außerdem noch Flo rinda Balkan und Bianca Jagger im Gespräch. Suther land lachte sein tiefes, kehliges Lachen. Es war ihm in den Sinn gekommen, eine völlig fade Party zu geben, irgendetwas völlig Unmodisches zu tun, denn für ihn war Pines eine Gemeinde von Schaufensterdekora teu ren, mit denen man kein einziges vernünftiges Wort spre chen konnte. Zugleich spornte ihn seine Spieler natur an, etwas ganz Außergewöhnliches zustande zu bringen, das noch lange in aller Erinnerung bleiben würde, und alles, was gewesen war, ausstechen wür de; mitten in den Vorbereitungen bedauerte er plötz lich, daß er keine SM-Geschichte daraus gemacht hatte, denn mehrere Burschen, die er kannte, hatten bereits angeboten, am Kreuz zu hängen und während der Gala vorstellung widernatürliche Akte auf der Bühne zu vollführen.
Von Zeit zu Zeit kam er heraus, um zu sehen, wie wir vorankamen (er war eines Nachmittags zu uns gekom men und hatte uns angestellt, das Strandhaus in Schuß zu bringen). Wir putzten Scheiben, polierten Treppen gelän der, wischten Terrassen und begannen, rosa und grüne Verkleidungen aufzubauen, Skulpturen aus Tee löffeln, und die Beutel, aus denen Nelken, Glitter und Pillen auf die Gäste regnen sollten. Eine Mannschaft aus Sayville kam, um die Beleuchtung zu installieren, und der erste Discjockey New Yorks, um die Lautspre cher aufzuhängen und die Plattenanlage aufzubauen. Sutherland kam jedesmal in anderer Begleitung: ein Mann, der zehn Jahre lang erfolglos Romane in Rom ge schrieben hatte, ein großer, hagerer bärtiger Bursche, der in den Wäldern nördlich von New York lebte; Pro pheten, Intellektuelle, Künstler, Dressmen. Eines Tages wanderten wir zum Hafen hinunter, um sie zu empfangen. „Du mußt eine Geschichte schreiben, die Fire-Island-Geschichte“, flüsterte Sutherland ganz aufge regt dem Schriftsteller zu, als wir hinter den großen, weißen Booten vorbeiwanderten, die im Hafen festge macht hatten, „über eine sehr reiche Jüdin auf einem dieser Boote,
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