Tänzerin der Nacht - Feehan, C: Tänzerin der Nacht - Night Game
wollte keine Schatten in seinen Augen sehen. Und auch nicht ein Gesicht, das von Sorge verwüstet war. Sie wollte ihn so sehr hassen, wie er es verdient hatte.
Sie schluchzte so heftig, dass ihr Bett bebte. Das ganze Zimmer bebte. Gator stand mit dem Rücken an der Wand und lauschte ihrem Weinen, das so klang, als hätte er ihr das Herz nicht nur gebrochen, sondern es ihr aus dem Leib gerissen. Er hatte sie zerstört. Er konnte sie mit keinem Mittel trösten, und ihm fielen keine Worte ein, die sie verstanden hätte. Er ließ sich auf den kleinen Lehnstuhl sinken, den er neben die Tür gerückt hatte, und schlug
sich die Hände vors Gesicht. Er hatte mit Zorn gerechnet, mit maßloser Wut, mit Gefühlen, mit denen er umgehen konnte, aber mit ihrem Kummer brachte sie ihn um. Und es war Kummer. Ihr Kummer zerstörte ihn.
Er fühlte ihren Schmerz, als sei es sein eigener. Er hatte das Richtige getan, den einzigen Weg eingeschlagen, der ihm offenstand. Seine Brust schnürte sich zu, und seine Kehle schmerzte. Tränen brannten ihm in den Augen. Er hatte ihr das angetan. Er hatte den Entschluss gefasst, ihr das Leben zu retten, obwohl er gewusst hatte, dass er sie dadurch wahrscheinlich verlieren würde, aber die Folgen, die darüber hinausgingen, hatte er nicht in Betracht gezogen. Er hatte geglaubt, er könnte es ertragen, sie zu verlieren, solange er wusste, dass sie am Leben blieb, aber es war ihm unerträglich, derjenige zu sein, der ihr solches Leid zugefügt hatte.
Flame fühlte eine Hand auf ihrer Schulter. Ihr erster Impuls bestand darin, sie abschütteln zu wollen, aber die Hand war zart und schmal und duftete stark nach Lavendel. Die Hand strich ihr das Haar aus dem Gesicht zurück, und eine leise Stimme murmelte ihr tröstliche Worte zu. »Aber, aber, Cher . Es wird alles wieder gut werden. Ich bin jetzt hier. Wir werden dafür sorgen, dass alles wieder gut wird.«
»Nonny?« Hatte sie Halluzinationen? Als sie den Kopf umdrehte, sah sie die kleine alte Dame mit besorgten Augen neben ihrem Bett stehen. »Sie können nicht hier sein.« Sie versuchte, die Worte zwischen einem herzzerreißenden Schluchzen und dem nächsten herauszubringen. Ihr Atem ging so abgehackt, und ihre Kehle war so wund, dass sie kaum sprechen konnte. Noch schlimmer war, dass ihr schon wieder übel wurde.
Flame tastete blind nach der Nierenschale und übergab sich immer wieder, bis sie nur noch trocken würgte. Nonny nahm ihr die Schale ab und drückte ihr den feuchten Waschlappen in die Hand. Irgendwo im Zimmer sah Raoul zu, und dieses Wissen trug noch mehr zu ihrer Demütigung bei. Wie konnte er ihr das antun?
Nonny war wieder da, schlang einen Arm um sie, nahm ihr den Waschlappen ab und drückte ihr stattdessen ein Glas Wasser in die Hand. »Es wird vorübergehen, Flame. Lily hat gesagt, dir könnte übel werden.«
Flame kämpfte gegen ihr heftiges Schluchzen an. Sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass Weinen nichts nutzte. Sie bekam nur Kopfschmerzen davon und ärgerte sich über sich selbst, weil sie Whitney die Genugtuung gegeben hatte, sie so weit zu bringen. Jetzt war es Raoul. Ein weiteres Schluchzen entrang sich ihr. Wie konntest du mir das antun?
Ich hatte keine andere Wahl.
Flame schloss die Augen und schämte sich, weil sie die Selbstbeherrschung verloren hatte. Die Intensität ihrer Gefühle war so enorm, dass sie sich mit ihm in Verbindung gesetzt hatte. Sie strengte sich an, sich zusammenzureißen. Selbstbeherrschung. Disziplin. Geduld. Immer wieder sagte sie sich die Worte vor, bis sie den Sturm, der in ihrem Innern tobte, so weit beruhigt hatte, dass sie einen Schluck Wasser trinken konnte und wieder gefasster wirkte.
»Wie lange bin ich schon hier?«
»Sechsundvierzig Stunden«, antwortete Raoul. Er lehnte sich zurück, bis sein Kopf an der Wand ruhte. Er hatte sechsundvierzig Stunden Zeit gehabt, sich darauf einzustellen, und doch war er nie auf den Gedanken gekommen, ihr Herz – oder seines – könnte brechen.
»Das kann nicht sein. Nonny, Sie müssen von hier verschwinden. Jetzt gleich. Sie dürfen nicht hierbleiben. Es ist zu gefährlich. Raoul, bring sie von hier fort.«
Nonny tätschelte ihr die Hand. »Aber, aber, Kind, reg dich bloß nicht schon wieder derart auf. Raoul hat mir erklärt, dass du so bist wie er, eine Art Waffe der Regierung, und dass du die Selbstbeherrschung verlieren könntest, was vielleicht dazu führen würde, dass dieses ganze Gebäude über uns zusammenbricht.«
»Nicht
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