Täuscher
Günzinger oder von der Verstorbenen? Wie eng waren Sie denn mit dem Fräulein Ganslmeier befreundet, wie oft haben sie sich denn gesehen?«, will Dr. Klar, der Anwalt Täuschers, von der Zeugin wissen.
»So oft auch nicht. Meine Schwester kannte das Fräulein Ganslmeier durch den Liederkreis.«
»Und doch erhebt sie Ihnen gegenüber so schwerwiegende Anschuldigungen in Bezug auf den Angeklagten? Sie muss doch da noch mehr gesagt haben, da muss es doch einen Anlass gegeben haben?«
Die Zeugin zuckt mit der Schulter und sagt, an den Richter gewandt:
»Da weiß ich jetzt gar nicht, was ich darauf sagen soll, sie hat nie etwas Konkretes gesagt, Herr Richter.«
Auguste Kölbl, die nach ihrer Schwester in den Zeugenstand gerufen wird, war nach eigenen Angaben mit den Verhältnissen der beiden Ganslmeier eng vertraut und bestätigt Bertha Beers Aussage in allen Punkten.
Mittwoch, 22 . März 1922 ,
Landshut, Lichtspielhaus Kammer,
Bürstenfabrikantensohn Hubert Täuscher,
3 . 17 Uhr nachmittags
Acht Tage war es her, dass Hubert mit dem Luck Schinder versackt war. Hubert hatte sich den halben Tag freigenommen, und wie jeden Mittwoch und Donnerstag war er am Abend mit Clara verabredet. Sie erwartete ihn gewöhnlich um halb acht, wenn der letzte Klavierschüler gegangen war und sie die Mutter zur Nachtruhe fertig gemacht hatte.
Gegen Mittag war er ins Kaffeehaus, später dann ins Kino gegangen.
Das Diadem der Zarin
. Schinder war mit ihm.
»Und hast es dir überlegt?«
»Was überlegt?« Hubert wusste zuerst nicht, wovon die Rede war.
»Die Sache mit dem Schmuck. Ich habe einen an der Hand, der würde uns einen guten Preis dafür zahlen.«
Luck saß neben Hubert in der Loge und redete leise auf ihn ein.
»Ich weiß nicht.«
»Was heißt da, du weißt nicht? Willst aus dem Kaff hier raus und Schauspieler werden? Leben! Hubert! Oder willst hier in Landshut versauern? Den ganzen Tag im Laden stehen und ab und zu nach München. Und das alles mit deiner Clara an der Seite.«
»Nein, das will ich nicht, aber … ich weiß nicht.«
»Ich hab geglaubt, du bist so ein kalter Hund, bist halt doch bloß ein Mamaluk. Du hast doch ein Madl in München.«
»Ja, das schon.«
»Glaubst, die wartet ewig? Du musst dich entscheiden, Hubert. Das Leben ist da draußen, nicht hier. Und eine solche süße Maus in München, die sucht sich einen anderen, wennst nicht weißt, was du willst. So sind sie, die Weiber, und am Schluss bleibst bei deiner vertrockneten Zitrone Clara hocken.«
Schinder hörte nicht auf, auf Täuscher einzureden, dem war schon ganz wirr im Kopf. Freilich wollte er weg und nicht hier versauern. Und die Clara, die wollte er auf keinen Fall sein Lebtag am Hals haben. Aber deswegen was riskieren?
»Das Ganze fällt doch gleich auf mich zurück. Die Clara hat mir eh schon die Hölle heißgemacht, weil ich die Uhr von ihrem Vater versetzt hab, und wenn der Schmuck weg ist, was meinst, was da los ist? Das kann ich nur machen, wenn auch wirklich keiner draufkommt, dass ich was mit der Sache zu tun hab. Luck, verstehst?«
»Schau mich an, du redest mit keinem, der das zum ersten Mal macht. Ich kenn mich aus. Du kannst mir vertrauen.«
Luck Schinder rückte ein Stück näher an Hubert heran.
»Alles, was du machen musst, ist, du musst mich reinlassen in die Wohnung. Den Rest erledige ich.«
»Ich weiß doch nicht einmal genau, wo sie den Schmuck hat.«
»Haltst mich für blöd? Die meisten Leute haben das Zeug an der gleichen Stelle, da gibt’s nicht viele Möglichkeiten. Je weniger du weißt, desto besser, deine Clara wird gar nicht draufkommen, dass du was mit der Sache zu tun hast. Vertrau mir, Hubert. Schlag ein!«
Schinder hielt Hubert die Hand hin. Dieser zögerte einen Moment, dann schlug er ein.
»Gut, abgemacht ist’s. Aber ich bin aus dem Schneider.«
»Keine Sorge! Wann gehst wieder zu ihr?«
»Heute zwischen halb und drei viertel acht und morgen um die gleiche Zeit.«
»Heute geht’s nicht, aber morgen. Ich warte an der Ecken zur Bindergasse auf dich. Du gibst mir ein Zeichen, wennst mich gesehen hast, und ich geh dann einfach hinter dir her.«
»Was für ein Zeichen?«
»Irgendwas wird dir schon einfallen, dann streifst halt mit der Hand über deine Hutkrempe.«
Hubert nickte.
»Das wäre es dann, dann ist ja alles ausgemacht. Jetzt schaun wir uns den Film an, und danach bleib ich hier herinnen sitzen, und du gehst schon raus. Ich will nicht, dass uns einer zusammen sieht, ist besser
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