Täuscher
ich einmal Blut geschleckt habe, dann lass ich nicht mehr so leicht ab.«
»Aber jetzt kämen wir noch raus.«
»Spinnst? Jetzt will ich’s wissen! Was soll ich dem sagen, den ich an der Hand hab? Ich kann meinen Partnern nicht erst die Zähne lang machen und sie dann verprellen. Das ist das Geschäft, verstehst, das ist das richtige Leben! Du gehst da hin und schaust, wo sie den Schmuck hat, deine Clara. Wie du das machst, ist mir gleich. Lass dir was einfallen, du willst doch Schauspieler werden, spiel ihr was vor. Das kann doch nicht so schwer sein.«
Dienstag, 11 . April 1922 ,
Polizeipräsidium Landshut,
Johann Huther,
5 . 21 Uhr nachmittags
Kriminalwachtmeister Wurzer kam mit einer Akte in Johann Huthers Zimmer.
»Die Kollegen in München haben die Freundin vom Schinder noch mal vernommen. Ich leg Ihnen den Bericht auf den Tisch, und dann geh ich heute ein bisserl eher.«
Johann Huther blickte kurz zu dem Kollegen auf.
»In letzter Zeit müssen S’ aber oft eher weg. Gefällt S’ Ihnen nicht mehr bei uns herinnen?«
»Meine Frau hat Namenstag, und die ganze Verwandtschaft kommt.«
»Ich hab gar nicht gewusst, dass Ihre Frau Hulda heißt.«
»Heißt sie auch nicht. Kreszentia war am Fünften, wir feiern heute nach. Ein Zuckerschlecken ist das auch nicht, ich würd lieber länger dableiben als mit meiner Schwiegermutter ein Glaserl Wein trinken. Eine richtige Zwiderwurzen.«
»So sind halt die Schwiegermütter.«
»Eh ich’s vergess, der Kollege Weinbeck hat mit der Familie vom Täuscher gesprochen, oder besser: versucht zu sprechen. Die Eltern können einem leidtun, beide sind sie ganz durcheinander. Der Weinbeck hat gesagt, es hat keinen Sinn gehabt, mit ihnen zu Hause zu sprechen, das müssen wir bei Gelegenheit später noch einmal versuchen. Wenn ich mir den Bericht hier durchlese, dann kann ich schon verstehen, wie den Eltern zumute ist. Die Kollegen in München haben, wie’s aussieht, nicht den geringsten Zweifel an der Schuld, aber lesen Sie ihn lieber selbst. Die Frage ist nur: Hat er es alleine oder mit dem Schinder zusammen gemacht? Der Schinder ist ein richtiger Gangster, der war länger im Zuchthaus als draußen. Da scheint er ja in den rechten Kreisen verkehrt zu haben, der feine Herr Täuscher.«
Wurzer legte die Akte vor Huther auf den Tisch. »Und Hulda war gestern; am Zehnten. So hat die Mutter von meiner Schwiegermutter geheißen. Pfüat Gott, bis morgen, und bleiben S’ nicht zu lang herinnen, sonst werden S’ noch schwermütig.«
Johann Huther holte seine Taschenuhr aus der Jackentasche, noch eine gute halbe Stunde bis Dienstschluss. Seufzend und mit mäßigem Interesse las er sich das Schreiben der Münchner Kollegen durch.
München, den 6 . 4 . 1922
Abteilung I.
Doppelraubmord in Landshut
Die ledige hochschwangere Näherin Anna Priegl, hier Gollierstr. 10 / II wohnhaft, wurde zur Sache am 5 . 4 . einvernommen. Sie erklärte, ihre Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht zu haben. Gelegentlich der zwanglosen Unterhaltung mit Priegl sagte diese, dass sich Schinder in ihrer Wohnung mit den Worten geäußert habe: »Je schlechter der Mensch, desto größer das Glück.« Auf die Frage, was genau er damit gemeint habe, antwortete sie: »Was er damit meint, weiß ich nicht, und ich möchte darüber auch keine Vermutungen anstellen.« Des Weiteren habe er ihr das Medaillon gegeben, welches bei der Hausdurchsuchung in der Wohnung Gollierstr. 10 gefunden wurde. Laut Aussage der Zeugin Priegl entgegnete Schinder ihr auf die Frage, woher er dieses habe, er habe noch mehr solche Sachen. Schinder habe hierauf drei weitere Schachteln aus seiner Jackentasche geholt und diese der Priegl gezeigt. Wie die Zeugin hier glaubwürdig versicherte, konnte sie sich an die einzelnen Schmuckgegenstände nicht mehr erinnern. Nur ein in Platin gefasster Ring, ein schwarzes Kreuz, sowie schwarze Ohrringe in einem goldenen Döschen seien ihr im Gedächtnis geblieben. Aus den Schachteln habe Schinder dann vor ihren Augen ein Paket gemacht.
Täuscher sei die ganze Zeit über anwesend gewesen. Priegl gab an, er wäre an besagtem Tag zusammen mit ihrem Geliebten Schinder zu ihr gekommen. Sie habe ihn, Täuscher, bis zu diesem Tage nie zuvor zu Gesicht bekommen, und auch über eine Bekanntschaft der beiden habe sie nichts gewusst. Auf Vorlage eines Lichtbildes erkannte sie den auf der Fotografie gezeigten Mann – Täuscher – mit Bestimmtheit als denjenigen wieder, mit dem
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