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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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zerrissen. Es war der gleiche Stoff, den sie an dem Busch gefunden hatte. Die Kleine war gejagt worden.
    »Okay, Tara, ich bringe dich in Sicherheit. Halte durch.«
    Sie hob das Mädchen hoch. Es wog nicht viel, aber so schlaff, wie es in ihren Armen hing, stellte es sich als alles andere als einfach heraus, es zu tragen. Bereits nach wenigen Metern hielt sie inne und nahm Tara auf den Rücken, ehe sie weiterging. Taras Kopf baumelte auf ihrer Schulter, das warme Blut durchnässte ihre Kleidung und erkaltete, ließ den Stoff feucht an ihrer Haut kleben. Hoffentlich war es noch nicht zu spät.
    Ihre Füße fühlten sich bleiern an, als sie endlich an der Stelle ankam, wo sie Friedbert zurückgelassen hatte.
    »Friedbert!« Sie ließ Tara zu Boden gleiten und sah sich um, doch in dem Grau der Landschaft nahm sie kaum etwas wahr. »Himmelarsch, Friedbert, wo bist du?«
    Ein schwaches, rosafarbenes Schimmern. Kein Friedbert – nur sein Staub. Wenigstens etwas. Ein wenig Hoffnung, eine Prise Glück.
    Sie sammelte alles ein, was sie zusammenkratzen konnte, und verrieb es auf Taras Gesicht.
    »Du wirst es schon schaffen«, flüsterte Zarah, meinte dabei sie beide und glaubte kaum selbst daran. »Halte durch.«
    Sie wusste nicht genau, in welche Richtung die Tote Stadt lag, und verließ sich auf ihre Intuition. Mehrfach musste sie eine Pause einlegen und Tara auf dem Boden absetzen. Jedes Mal machte sie sich Vorwürfe deswegen, und mit jedem Mal fiel es ihr schwerer, danach wieder auf die Beine zu kommen.
    Ihre Knöchel versanken im Nebel, Stimmen drängten sich an ihr Ohr. Irgendwann spürte sie Asphalt unter den Füßen. Hatte sie tatsächlich das Reich des Erlkönigs erreicht? »Siehst du, Tara, wir haben es beinahe geschafft.«
    Beinahe! Sie wusste bloß nicht, wie sie den Rest schaffen sollte.
    Na los, weiter, nur noch bis zum nächsten Busch. Bis zum nächsten Baum. Bis zur nächsten Biegung.
    Sie sank auf die Knie. Taras Handgelenke entglitten ihrem Griff, sie hörte nur, wie der Körper des Mädchens schwer auf den Weg schlug. Ihr fehlte die Kraft, sich umzudrehen und nachzusehen, ob sie noch lebte. Sie starrte vor sich hin, beobachtete, wie eine Gestalt auf sie zukam. Erst als diese wenige Meter vor ihr stehen blieb, wurde sie zu einem Teil ihrer Realität.
    »Tissan!«, keuchte sie. Mit beiden Händen fuhr sie sich übers Gesicht, roch Taras Blut, den eigenen Schweiß und den Schmutz, spürte das Brennen in ihren Handflächen, mit denen sie die Dornenranken auseinandergerissen hatte.
    Er sah sie schweigend an.
    »Tara ist verletzt.« Ihr Mund war ganz trocken. Jeder Atemzug durch die geöffneten Lippen schien ihr in den Gaumen zu schneiden.
    »Wo bist du gewesen? Wir suchen schon seit Stunden nach dir. Ghost war außer sich, als dein Verschwinden bemerkt wurde. Es ist nicht die feine Art, sich wie eine Ratte davonzustehlen, wenn das Schiff sinkt.« Seine Stimme leierte irgendwo unter ihrer Schädeldecke. Sie musste sich konzentrieren, um überhaupt zu begreifen, wovon er sprach.
    »Das Schiff wird nicht sinken.«
    »Wo bist du gewesen, habe ich gefragt.«
    »Später, alles später, jetzt müssen wir Tara in Sicherheit bringen und sie versorgen.« Nun fehlte ihr die Kraft, ihm ins Gesicht zu blicken, ihr Kopf senkte sich auf ihre Brust. »Sie wurde gejagt. Und ist verletzt.«
    Tissan wippte auf den Fußballen.
    »Verflucht, mach doch was«, krächzte sie. »Nicht meinetwegen. Um Taras willen. Lass sie nicht sterben!« Sie mag dich doch so sehr.
    »Gut«, sagte er schließlich und rammte die Absätze seiner Stiefel in den Boden. »Warte hier. Ich hole Hilfe.«
    Zarah wartete, während sich die Zeit dehnte und sie irgendwo auf der Grenze zur Ohnmacht balancierte.
    Menschliche Stimmen rüttelten ihren Verstand auf, sie schreckte hoch und wusste im ersten Augenblick nicht, wo sie sich befand. Alles erschien ihr wie ein langer, träger Schlaf, der nie enden wollte.
    »Tara«, sie tastete nach der Hand des Mädchens und drückte die schlaffen, kalten Finger. Taras Mund stand halb offen. Auf den rissigen Lippen bildete das Blut eine Kruste. »Tara, hörst du mich? Bleib bei mir, nur ein ganz kleines bisschen. Gib nicht auf, gib bloß nicht auf.«
    »Ich habe sie hier neben der Leiche entdeckt«, vernahm sie Tissans Stimme.
    Das Rauschen in ihrem Kopf nahm zu. »Sie ist doch nicht tot!« Sie rüttelte Tara an der Schulter. Keine Reaktion. Zitternd kam sie auf die Beine und sah zu den Rebellen, die sich hinter Giulia und

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