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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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habe.«
    »Er war leer. Platt wie eine Briefmarke. Man hätte ihn auf einen Umschlag kleben und ins Jenseits schicken können. Ich hab ihn gefunden – nun ja – in der letzten Sekunde. « Er versuchte, etwas zu summen, doch die Melodie klappte nicht. »Ich bin ihm erschienen, und mein erster Gedanke war: Das ist er also, der Kerl, dem ich aus seinem Elend helfen soll – in welchem auch immer er stecken mag. Mein zweiter Gedanke lautete: Süß sieht er aus, wie er da auf der Arbeitsplatte sitzt und schweigend den Schokoriegel in sich hineinstopft. Ob er schon mit einer Partnerin zusammen ist? Stopp, sagte ich mir, aus welchem Grund sollte mich das eigentlich interessieren?« Er zuckte die Schultern. »Vermutlich aus dem gleichen, aus dem ich mich später ärgerte, wenn er nicht anrief, wenn er sich zum Essen verspätete. Oder nach Hause kam, ›Na, und was hast du heute so gemacht?‹ fragte und die neue Wandfarbe völlig ignorierte.« Friedbert seufzte. »Aus dem gleichen Grund, aus dem ich mich später immer häufiger fragte, wie es wohl wäre, ihn zu küssen. Ich liebe ihn. Krankhaft, innig. Hoffnungslos.«
    »Und er weiß nichts davon.«
    »Ich selbst wollte nichts davon wissen! Und wie ich nun deutlich merke: Das Wissen macht es auch nicht leichter. Versprich mir, ihm nichts zu sagen.«
    »Friedbert …«
    »Das würde alles nur kaputt machen. Er würde mich nie mehr in seiner Nähe dulden.«
    »Ich glaube, du kennst ihn gut genug, um sicher zu sein, dass ihm herzlich egal ist, was auf der Konferenz des magischen Dämonenzusammenschlusses vor zwei Jahren wiederholt einstimmig bestätigt wurde. Du bist ganz sicher nicht abartig.«
    »Bitte, Zarah. Ich habe noch nie jemanden um etwas so sehr gebeten. Er darf es nicht erfahren. Mal ehrlich, was würde das bringen? Auch wenn ein Wunder geschähe, er dich in den Wind schösse und gleiche Neigungen wie ich entwickelte – wie sollte das gehen? Auf was würden unsere körperlichen Zärtlichkeiten hinauslaufen? Dass er mich mit seinem kleinen Finger zwischen den Flügeln streichelt? Auf die Größe kommt es doch an.«
    »Und was willst du jetzt tun?«
    »Was kann ich schon tun? Nichts. Als ihr euch auf der Sireneninsel geküsst habt, habe ich gespürt, wie glücklich er war. Bis ans Ende aller Tage und weit darüber hinaus. Ich habe darin eine Gelegenheit gesehen, das Band zwischen uns zu lösen. Ich dachte, wenn ich die Möglichkeit habe, mich von ihm fernzuhalten, dann komme ich darüber hinweg.«
    »Und?«
    »Bis jetzt sieht es nicht danach aus. Ich habe gespürt, dass er in Schwierigkeiten ist. Ich habe mich innerlich gewunden, mir verboten, zu ihm zu eilen, ich habe geflucht und bin doch hingeeilt. Wie es nun weitergehen soll – ich habe nicht die geringste Ahnung. Sag es ihm nicht. Bitte. Bitte, bitte nicht.«
    »Ist schon gut, von mir erfährt er es nicht. Aber sprechen musst du mit ihm trotzdem. Er vermisst nämlich seinen besten Freund. Dein wortloses Verschwinden hat ihm ziemlich zugesetzt.«
    »Ich denke drüber nach, versprochen. Aber verlange von mir nicht, dass ich ihm jetzt gleich unter die Augen trete. Bringe ihn in die Tote Stadt, kümmere dich um ihn. Nach dem Fluch wird er es brauchen. Leichte Desorientierung, Bewusstseinsstörungen und Amnesie sind eine Zeit lang dabei ganz normal, hab Geduld mit ihm.«
    Zarah schmunzelte und stand auf. »Werde ich.«
    »Gut. Währenddessen muss ich versuchen … mich etwas zu sortieren. Und …«
    Ein Schrei rollte über sie hinweg und verschluckte alles, was noch hätte gesagt werden können.

2 9
    Zarah glaubte, ihn immer noch zu hören, als würde der Schrei durch ihre Knochen hallen und erst im Boden unter ihren Sohlen ersticken. Die Luft schmeckte fade und dünn. Die Wolken jagten einander schneller und schneller, alles andere stand still. In ihrer Handfläche knisterte es leise – über Friedberts Körper liefen Funken. Jedes einzelne Härchen seines dichten Schopfes richtete sich auf. Die Sommersprossen perlten auf seiner Haut wie winzige Schweißtropfen. Die Libellenflügel zuckten unkontrolliert, und wenn sie aneinanderschabten, klang es, als wären sie aus Sandpapier.
    »So etwas habe ich noch nie erlebt.« Friedbert taumelte und hielt sich an Zarahs Ringfinger fest. Seine kleinen, beschuhten Füße drückten leicht in ihre Handfläche, und sie merkte, dass er Absätze trug. »Es kommt mir vor, als wäre sie es gewesen, die geschrien hat.«
    »Wer?« Ein kleiner Stromschlag fuhr in ihre Haut.
    »Die

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