Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
Vom Netzwerk:
menschlich plötzlich ein Schutzschild, den sie nicht zu durchdringen vermochte. In ihm, ausgeblichen und ausgetrocknet, wie er war, sah sie immer noch Ashs Zwillingsbruder.
    Tissan kniete neben ihr, hielt sie mit einer Hand am Hals fest und schlug ihr ins Gesicht. Schlug ihre Nase und seine Knöchel blutig. Sie drehte den Kopf, bekam eine Faust gegen die Schläfe, die Wange, den Kiefer. Irgendwo in ihm … da war kein Tissan mehr.
    Mit einem Tritt in den Bauch stieß sie ihn von sich. Er fiel rücklings auf den Boden. Mit einem weiteren Tritt hätte sie ihm die Rippen brechen können. Noch vor wenigen Minuten hätte sie es getan. Aber jetzt ließ sie ihn liegen, sprang auf die Füße und griff nach dem Baby. Es schrie lauter denn je und wand sich in ihren Armen mit einer Beharrlichkeit, die sie diesem Würmchen niemals zugetraut hätte. Sie musste das Baby wegbringen. Kein Baby, keine magische Brücke, die Enyas Kräfte zu Abbas transportieren könnte, kein Ritual.
    Sie lief los.
    Abbas schnellte zu ihr, seine Hände packten sie, zerrten an ihrer Jacke. Die Nähte rissen, etwas rutschte ihr aus der Tasche und fiel schwer auf den Boden. Sie wand sich aus seinem Griff und war mit dem nächsten Schritt außerhalb seiner Reichweite. Abbas warf sich ihr hinterher. Es knisterte. Die Himmelsprojektion flackerte auf, die Kraft des Kreises schleuderte den Ghul zurück. Er schrie auf, versuchte es erneut, obwohl sein Körper gewaltsam hin- und hergebogen wurde.
    Daimons Gestalt glühte auf. Er senkte den Kopf und begann, Beschwörungen zu murmeln und mit den Händen rauchige Fäden in der Luft zu weben.
    Schwer atmend kauerte der Ghul im Inneren des Kreises. »Ihr könnt mich hier vielleicht vorübergehend festhalten, aber meine Macht ist grenzenlos.« Er streckte die Arme aus, spreizte die Finger, bis sie zitterten. Seine Rechte zeigte auf Alessa, die Linke auf Gallagher.
    Zarah wandte sich ab, drückte das Baby an die Brust und rannte zum Ausgang. Das rötliche Licht traf sie beinahe schneidend in die Augen. Jemand riss sie am Kragen zurück. Der Rand schnitt ihr in den Hals, sie presste das Baby noch fester an sich. Es weinte nicht mehr. Es rührte sich nicht mehr. Sie hatte es doch nicht erdrückt …
    Tissans Gesicht blitzte vor ihr auf. Er zerrte an ihren Armen, an dem Baby.
    Fast erleichtert vernahm sie das Brüllen des Kleinen. Das zerknautschte rote Gesichtchen lugte aus der Decke und schrie sie mit dem zahnlosen Mund an. Sie verlagerte das Baby auf den einen Arm und schlug mit dem Ellbogen nach Tissan. Der Hieb zerfetzte die Haut an seinem Wangenknochen, verschob seine Nase – aber er schien keine Schmerzen zu spüren. Sie stolperte zurück in den Sternensaal, schob das Baby in eine der Sesselreihen und drosch auf Tissan ein. Was auch immer der Ghul mit ihm gemacht hatte – sie boxte ihn erst k.o., als sie sich schon fast bis zu dem Sternenprojektor vorgekämpft hatten.
    In der Reihe, wo sie das Baby abgelegt hatte, stand Alessa. Gut. Das Mädchen konnte im Kampf kaum helfen. Es machte sich am besten nützlich, indem es sich um das Kleine kümmerte.
    »Worauf wartest du? Bring das Kind in Sicherheit!«
    Mit dem Baby in den Armen setzte sich Alessa in Bewegung. Sie ging auf den Sternenprojektor zu, den Blick starr auf die Bühne gerichtet. Ihre Züge wirkten entgleist. Der rechte Mundwinkel war hochgeschoben und entblößte ihre Zähne, in derselben Gesichtshälfte lag die Stirn in Falten, das Lid hing schlaff über dem Auge.
    »Zarah, pass auf!«, rief Daimon. »Er hat sie beide unter Kontrolle. Wie den Formwandler und meinen Drachen damals.«
    Sie beide ?
    Sie ließ den Blick an sich hinuntergleiten. Auf ihrer Brust tanzte der rote Punkt.
    »Töte sie!«, befahl Abbas, und sein Ruf ertönte gleichzeitig aus dem Mund seiner Marionetten.
    Gallagher – so nahe. Mit dem Gewehr im Anschlag. Der Kolben drückte fast gewaltsam in seine Schulter, die Finger krampften um den Griff.
    »Töte sie!«
    Die Waffe bebte in seinen Händen. Mal senkte sich der Lauf, mal zog er ihn wieder hoch, langsam und mühevoll, als würde eine unsichtbare Kraft – sein Wille – die Waffe gen Boden pressen.
    Wieder unterbrach Daimon seine Beschwörungen, und der Rauch um ihn herum verflüchtigte sich abermals. »Kommst du da drüben klar?«
    Sie zog Gallaghers Blick auf sich. Kommst du klar?
    Er hatte sie gespürt, gehört. Sein Gesicht verzerrte sich noch mehr, doch es gelang ihm, den Kopf kaum merklich zu schütteln. Ein Nein, es war ein

Weitere Kostenlose Bücher