Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

zu. Über die Sessellehnen sahen er und Zarah einander an. Nein, nicht zum letzten Mal , flehte Zarah.
    Ein weiterer Ruck ging durch den Boden. Daimon schwankte.
    Mach schneller! Abbas darf sein Ritual nicht beenden! Sie hätte es am liebsten herausgeschrien, aber sie durfte ihn nicht aus der Trance reißen.
    Der nächste Ruck warf sie nieder. Sie hielt sich an den rüttelnden Sesseln fest und zog sich hoch. Wie bei einem Vulkanbeben bildeten sich überall Risse, die Rauch und Hitze spuckten. Lava stieg darin auf und warf Blasen. Abbas fuhr herum. Panik entstellte sein Gesicht, als ein Spalt im Boden auf ihn zulief. Er wedelte mit den Armen, zwang Alessa vorwärts, zu Daimon, obwohl sie ihn garantiert nicht erreichen würde, bevor der Spalt den Ghul verschlang.
    Zarah hustete, drückte sich ihr T-Shirt ans Gesicht. Der beißende Qualm kratzte in ihrem Hals, der Geruch nach Schwefel verätzte ihre Nase. Sie sank auf die Knie, beugte sich herunter.
    Wasser ergoss sich über ihren Rücken. Der kalte, nasse Schwall kam so überraschend, dass sie sich aufbäumte und aufschrie, wusste nicht, wie sie in den strömenden Regen gelangt war, wo sie sich plötzlich befand.
    Auch Daimon schrie.
    Einer nach dem anderen schlossen sich die Risse im Boden. Zarah wischte sich das Nass aus dem Gesicht, reckte den Hals und suchte nach dem Feuerdämon. Sie konnte nur seine Schreie wahrnehmen, bis sie ans Ende der Sesselreihe gestolpert war und ihn auf dem Boden entdeckte. Er krümmte sich vor Schmerzen, während das Wasser auf ihn niederprasselte. Die Tropfen brachten seine Haut zum Zischen und ließen die Asche schäumen. Neben ihm zappelte der Drache wie ein Fisch, der ans Ufer gezogen worden war. Daimon tastete nach ihm, versuchte, ihn unter einen der Sitze zu schieben.
    Wasser. Wasser verletzt das Feuer.
    Abbas beendete seine Malerei, die vom Wasser sofort weggespült wurde, breitete die Arme aus und wartete … wartete auf seine zweite Gestalt, die sich hinter ihm zu materialisieren begann, ohne dass er in sie schlüpfte.
    Gallagher lief zu Daimon und deckte ihn mit seiner Jacke zu. Das Wasser weichte die Sesselpolster auf, verschmierte die Runen, spülte das Schutzsymbol von seiner Brust.
    »Na?«, rief Abbas und drehte sich um. »Keinen Regenschirm dabei?« Er fuhr mit einer Hand über den Kraftkreis, und es gab keinen Widerstand. »Eigentlich sind im Planetarium nur Büros mit einer Sprinkleranlage ausgestattet, aber nachdem die Sternenschwestern einen neuen Projektor bekommen hatten, der nicht nur Bilder, sondern auch Energien transportieren konnte, war die Lage nach ein paar Sonneneruptionen wohl im wahrsten Sinne des Wortes so brenzlig geworden, dass sie die Räume mit einem Wasserzauber belegt haben.«
    Abbas schlenderte den Gang entlang. Der Mond, der nun im Zenit stand, speiste seine zweite Gestalt mit Macht. Sie ragte hinter ihm empor wie ein selbstständiges Wesen, vollkommen aus Fleisch und Blut. Ein gewaltiger Koloss. Die dunkelrote Haut spannte über den gewölbten, mit dicken Adern durchzogenen Muskeln; der Mund ähnelte einem Kuhmaul, aus dem Reißzähne hervorragten. Knorrige Hörner wanden sich auf seinem Haupt.
    Die Manifestation der Unbesiegbarkeit.
    Mit einer Hand strich Abbas über die Sessel. Seine Zwiegestalt tat es ihm gleich. Die Krallen rissen die Polster auf. Der Ghul tat es voller Genuss, als hätte er alle Zeit der Welt. Dabei würde der Mond über das Firmament weiterwandern, den Zenit verlassen und bald seine Kraft verlieren.
    Er würde seine Kraft verlieren …
    Zarah schaute zur Bühne.
    Eigentlich musste sie das Ritual doch nur so lange stören, bis die Energie des Mondes nachließ. Damit schaffte sie die Gefahr zwar nicht aus der Welt, verschob das Ganze jedoch mindestens bis zum nächsten Vollmond. Bei den beiden Opfern war nur Alessa zurückgeblieben. Mit hängenden Armen lümmelte sie verloren da, immer noch unter dem Einfluss des Ghuls. Aber mit Alessa würde sie fertigwerden.
    Der Ghul umkreiste den Sternenprojektor. Er wollte mit Sicherheit noch die größte Gefahr aus dem Weg räumen, die ihn theoretisch noch aufhalten konnte – Daimon. Für wenige Augenblicke würde das Gerät ihm die Sicht auf die Bühne nehmen.
    Zarah stürzte zu dem Baby.
    Alessa sah sie aus leeren Augen an, ihre Arme zuckten in die Höhe, doch ohne Abbas’ unmittelbare Aufmerksamkeit gelang es dem Mädchen, sich dem fremden Einfluss zu widersetzen. Zarah wich den Armen aus und griff nach dem Kleinen, presste sich das