Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
Vom Netzwerk:
vergießen mochten, brannten. Ich war ein Monster, das sich fragte, wann es verlernt hatte zu weinen.
    Er trat näher, seine Fingerspitzen wanderten mein Rückgrat hinunter. »Vielleicht sollte ich mich geduldig zeigen. Immerhin hast du nicht mit Insekten angefangen.« Seine Stimme kribbelte wie Spinnenbeine in meinem Nacken. »Ich fürchte, es wird dir nicht leichtfallen, zu tun, was du bald tun musst.«
    Ein Zittern durchlief meinen Körper. Nur mühsam gelang es mir, etwas halbwegs Verständliches herauszupressen: »Ich … brauche etwas … zu essen.«
    Der Anblick der Ratte ließ mich erneut würgen. Wie konnte ich bloß jetzt an Nahrung – rohe, nach Möglichkeit noch lebendige Nahrung – denken?
    »Du musst lernen, dich selbst darum zu kümmern. Was würde mit dir geschehen, sollte ich nicht da sein, um dich zu beschützen? Dämonen und Engel suchen nach dir. Denn die Mächtigsten spüren schon längst, wie die Magie sich wandelt und sich jemandem zuwendet. Kannst du in deinem jetzigen Zustand der ganzen Welt trotzen?«
    »B-bitte!« Erneut fuhr der Schüttelfrost mir bis in die Knochen.
    »Keine Sorge. Solange ich da bin, werde ich nicht zulassen, dass du in falsche Hände gerätst. Ich glaube, es ist an der Zeit, den nächsten Schritt zu tun.«
    »G-gib mir … zu essen. Ich … flehe dich an …«
    »Bald wirst du die Fähigkeit erlangen, mit der Magie zu sprechen. Du bekommst eine ganz besondere Zunge dafür. Um deiner Bestimmung näher zu sein.«
    »N-nein. Nicht …«, wisperte ich kaum hörbar, während alles in mir schrie: Ja! Mehr!
    War mir wirklich von Anfang an klar gewesen, was aus mir würde? Hatte ich das gewollt? Wollte ich das noch?
    »Es gibt nur ein kleines Problem. Ich weiß nicht, wo die Trägerin deiner Zunge ist. Du wirst sie aufspüren müssen. Und töten.«
    Entkräftet schüttelte ich den Kopf. »Nein.« Ob ich es ausgesprochen hatte? Oder stattdessen Alles was du willst! gebrüllt hatte, damit er mir endlich etwas gab, um den Hunger zu stillen. Ich war nur ein Werkzeug in seinen Händen, ein Werkzeug, das ich ihm selbst gegeben hatte. Er hielt die Fäden, die mir entglitten waren. Er würde derjenige sein, der die Zukunft formen würde, nicht ich.
    »So ist es brav.« Er warf mir ein Stück Fleisch hin. Menschenfleisch. »Friss es und folge mir. Uns steht eine lange Nacht bevor.«

1 1
    Der Wächter schlug ihr Gesicht gegen eine Wand und fesselte ihre Hände mit Handschellen auf dem Rücken. Zarah biss die Zähne zusammen und spürte, wie ihr warmes Blut aus der Nase troff. Der Aufprall hinterließ in ihrem Kopf einen pulsierenden Schmerz, der mit dem Heulen der Sirene an- und abschwoll.
    »Bewegung!«
    Während sie unbeholfen zur Seite stolperte, schleifte ein anderer Wärter die bewusstlose Alessa aus dem Raum. Im Flurlicht sah der schmale Körper noch zerbrechlicher aus. Die Spitzen des zerzausten blonden Haars saugten das Wasser auf. Der Wächter ließ die Beine des Mädchens los, und die Fersen prallten auf das Linoleum. Weitere Männer brüllten einander etwas zu, ohne gegen die Sirene anzukommen, und fuchtelten mit den Armen.
    Von einem Moment auf den anderen verstummte der Alarm. Die Aufseher hingegen gaben erst Ruhe, als sich die Tür zum Archiv mit einem metallischen Knall schloss.
    »Was ist denn das hier für ein Durcheinander?«
    Zarah fand kaum die Kraft, ihren Blick von Alessa abzuwenden und zu demjenigen aufzuschauen, der immer auftauchte, wenn sie in Schwierigkeiten geriet. Gallagher.
    Er deutete auf den Flur und zog fragend eine Augenbraue hoch. Seine Mimik war ihr so vertraut, dass es schmerzte. Sie hätte gern nach seiner Hand gegriffen. Aber die war nicht für sie, um ihr, wie schon so oft, auf die Beine zu helfen. Und die Finger, die er zu ihr ausstreckte, hatten Enyas Hand zärtlich und liebevoll gehalten, nicht ihre.
    Flüchtig glitt sein Blick über sie. Es tut mir leid, wollte sie ihm sagen, und es hätte ehrlich geklungen. Aber die honigbraunen Augen verströmten etwas Kaltes und wahrhaft Teuflisches.
    Der Wächter, der sich über Alessa beugte, stotterte etwas von einem Einbruch, bis der Hauptwachtmeister ihm mit dem Handballen gegen den Hinterkopf stieß und vortrat. »Ich glaube nicht, dass wir einem Technik-Fuzzi irgendwie Rechenschaft schuldig sind. Hast du überhaupt die Befugnis, dich im Archiv aufzuhalten?« Bei jedem Wort entblößten die schmalen Lippen eine Reihe raubtierhafter Zähne. Ein Tropfen fiel von der Decke auf seinen Nacken. Der

Weitere Kostenlose Bücher