Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde
Pochen in der Brust, wenn sie an Gallagher dachte …
Als das Licht den Raum flutete, schreckte sie hoch und blinzelte. Ihre schmerzenden Augen erkannten die Silhouette, die sich ihr auf Eselshufen näherte, nicht sofort. Abbas! Argwöhnisch beobachtete sie, wie ihr ehemaliger Chef ächzte und sich auf den Stuhl ihr gegenüber setzte. Was, bitte schön, tat er hier? Für Verhöre dieser Art war er doch mehr als überqualifiziert.
Abbas dagegen schien sich nicht an ihrem befremdeten Blick und dem undankbaren Job zu stören. Lässig schaltete er sein Pad ein und stellte am Rand des Tisches einen Teller mit einem Sandwich ab, das einen unverkennbaren süßlichen Geruch verbreitete.
»Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn ich esse?«, meinte der alte Ghul und zog zwischen den Brothälften eine Scheibe verdorbenes Fleisch heraus, um es sich gleich in den Mund zu schieben.
Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn ich kotze.
Er schmatzte laut und lange, und erst als das letzte Stückchen hinuntergeschluckt war, schenkte er der digitalen Akte seine Aufmerksamkeit. »Zarah. Ja, ich weiß, ich sollte eine Geächtete nicht beim Namen nennen, aber ich finde, du hast es verdient. Dank dir wurde die Einbrecherin gestellt, und wir konnten an wichtige Informationen gelangen.«
Alessa …
Bitte, Gallagher, mach, dass es ihr gut geht!
Seine teuflischen, honigbraunen Augen bescherten ihr auch jetzt noch Gänsehaut. Total bekloppt, ausgerechnet ihn darum anzuflehen.
»Wie sich herausgestellt hat«, fuhr Abbas fort, »gehört dieses Menschenmädchen zu einer Rebellengruppierung, die uns zunehmend Sorgen bereitet. Haben diese Leute anfangs nur Unruhe gestiftet und die Menschen gegen die Dämonen aufgehetzt, gehen nun weit größere Attentate und Sabotagen auf ihr Konto. Vom Fall der armen Tara hast du sicherlich schon gehört?«
Nein, hatte sie nicht. Woher auch, so von der Welt abgeschnitten, wie sie lebte.
»Das Mädchen wurde ihrem Erzeuger entführt, einem Günstling der Nachtseite, der eine führende Position im Wirtschaftsgremium innehat und große Hoffnungen in die Kleine setzte. In der Tat war sie … etwas Besonderes, und die Rebellen wussten es anscheinend. Wenige Stunden später erreichten uns die Forderungen der Gruppierung. Die natürlich nicht erfüllt werden konnten, da der Kodex jegliche Verhandlungen mit Erpressern und Terroristen verbietet. Trotz aller Bemühungen des Ordnungsamtes, die Kleine zu retten, konnten wir das Schlimmste nicht abwenden. Wir haben das Mädchen verloren.« Abbas knallte seine Faust auf die Tischplatte. Zarah zuckte zusammen und drückte ihren Rücken gegen die Stuhllehne, doch der Ghul sprach weiter, als wäre ein solcher Gefühlsausbruch ganz und gar nicht bedenklich für einen Dämon: »Die Indizien, die wir nach dem Mord an Oda sichergestellt haben, weisen ebenfalls auf die Rebellen hin. Anscheinend nutzen sie Runen, um die Magie herbeizulocken. Sehr mächtige Runen. Eigentlich zu mächtig für Menschen. Höchstwahrscheinlich hilft ihnen jemand. Ein Dämon. Der stark genug ist, einen Gluhschwanz unter Kontrolle zu halten.«
Lessa geht es gut …
Gallagher! Sie schluckte.
»Genauso wie den Formwandler aus dem Fall, für den sich die Einbrecher so interessiert haben«, fuhr Abbas fort, und Zarah konnte nur hoffen, dass der Ghul ihre Regung nicht bemerkt hatte. »Das von dir gefasste Mädchen will bedauerlicherweise nicht reden. Wir könnten natürlich schwerere Geschütze auffahren, aber da ist mir eine viel bessere Idee in den Sinn gekommen.« Er schmatzte erneut und kratzte mit einem Fingernagel in einem Zahnspalt, bis er die Fleischfaser endlich hatte. »Komm mit.«
Abbas löste die Kette und wankte in den Flur voraus. Zögernd folgte Zarah ihm. Wenn nötig, würden die Wächter sie dem Ghul hinterherschleifen.
Draußen wartete kein Personal. Abbas wandte ihr den Rücken zu und torkelte auf seinen Eselsbeinen den Flur entlang. Die Handschellen blieben ihr allerdings nicht erspart, so weit ging sein Vertrauen also doch nicht.
Nach mehreren Treppen und Fluren gelangten sie in den Bereich für die Besucher des Ordnungsamtes. Da dieser im Peintrakt lag, wunderte es niemanden, wenn die meisten Gäste hier als Häftlinge endeten. Vor einer Glasfront, die einen größeren Raum abschirmte, blieb Abbas stehen und betätigte einen Knopf. Die Deckenlampen des Raumes gingen flackernd an. Eine dürre Gestalt im Rollstuhl hob erschrocken den Kopf.
»Enya!« Zarah wollte gegen das Glas
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