Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde
herausgehustet hatte. »Komm. Wir müssen unseren Rundgang machen. Der Technik-Fuzzi hat recht, es gilt, besonders aufmerksam zu sein.«
Erst nach mehreren Minuten wagte sie sich aus ihrem Versteck, schlüpfte aus der Kabine – und blickte direkt in die kalten Glubschaugen. Mit einer Hand stützte der Wodjanoi den Kopf ab, der andere Arm baumelte lässig vom Waschbeckenrand. »So, so, da ist sie also, kleine Einbrecherin. Wetten wir, ich weiß, was du hast vor?«
Der Rucksack wog Tonnen, zog ihre Arme lang. »Ich habe dir geholfen, weißt du noch?«
»Muss ich noch wissen das?« Er spuckte ihr eine kleine Fontäne vor die Füße.
»Verpfeife mich nicht. Bitte!«
»Che-che.« Er lachte. »Ich glaub, ich halte grad fest dich am Bart, ist so? Was du bist bereit, opfern mir für mein Schweigen?«
Der Rucksack plumpste auf die Fliesen. Die Gestalt des Wodjanois schien vor ihrem Blick zu verschwimmen und gleichzeitig zu wachsen. Bedrohlich ragte die schlammgrüne Silhouette aus dem Waschbecken.
Zarah wollte schlucken, hatte aber keine Spucke mehr. »Du willst das, was ich in meinem Zuhause nicht kenne. Stimmt’s?«
Wie oft hatte sie die russischen Märchen belächelt, in denen die dummen Kaufmänner und Zaren dem Wodjanoi auf den Leim gingen und ahnungslos ihre neugeborenen Söhne und Töchter als Lösegeld versprachen! Aber in Wirklichkeit steckte mehr dahinter. Kein simples Märchen – sondern ein Opferritual.
»Bist du kluges Mädchen.« Der Wodjanoi klatschte in die froschartigen Pfoten.
»Du nimmst Kinder, nicht wahr?« Sie konnte nichts dafür. Wie von selbst blitzten die Bilder in ihrem Kopf auf. Gallagher, den sie vor ihrem Haus erwischt hatte … Enyas Ohnmacht … Dämonenschwangerschaften verliefen oft mit Komplikationen.
Besonders, wenn das Dämonenkind im Leib einer Menschenfrau heranwuchs.
»Schätzelchen«, blubberte der Wodjanoi in ihre Gedanken hinein, »›Daheim‹ ist ein Begriff, was kann haben viele Bedeutungen. Aber wir diskutieren, und dir läuft schon davon die Zeit. Was jetzt? Po rukam?« Er stemmte sich am Waschbeckenrand ab.
»Warte!« Sie streckte die Arme aus, um ihn zu packen, bevor er ihr entglitt. »Geht es hier um Enya? Sag es mir!«
»Po rukam!« Er hechtete nach vorn und drückte ihre Hand. »Po rukam! Po rukam! Po rukam!«
»Nein!« Sie zog die Hand zurück. Mit einem schmatzenden Geräusch rutschte sie aus seinem Griff. Schleim tropfte von ihren Fingern, während sie hastig die Papiertücher aus dem Spender zog und sich die Hand abwischte. »Ich habe nicht …«
»Abgemacht – Po rukam!« Der Wodjanoi wirbelte um die eigene Achse. Wie von einem Sog erfasst, verschwand er im Waschbecken.
»Nein!«, rief sie.
»Nein«, flüsterte sie kraftlos, während sie in den Abfluss starrte und an dem Geruch von Morast schluckte. »Das zählt nicht. Ich habe nicht … Ich habe …« Sie ließ sich neben dem Waschbecken zu Boden gleiten.
Ihre Finger rochen nach abgestandenem Wasser und Schlick, egal, wie verbissen sie die Haut schrubbte. Abgemacht. Der Wodjanoi war im Recht. Für ein magisches Bündnis zählte ein Handschlag. Wie es dazu kam, interessierte die Kräfte des Universums nicht im Geringsten.
Erneut erklang der Alarm.
Zarah kauerte auf dem Boden, eine Schläfe gegen die Fliesenwand gelehnt, und wartete, bis es vorbei war.
Die Rohre gluckerten.
Du wirst kein Kind bekommen! Eher sterbe ich.
Und vielleicht galt der magische Handschlag bei einer Geächteten auch nicht? Ja, das musste es sein.
Ihre Finger rochen trotzdem danach.
Sie rappelte sich hoch und stolperte zu den Unterputzventilen. Die Schraube lösen. Den Griff abziehen. Das verchromte Gehäuse herausdrehen. Den Gedanken an ein unschuldiges Kind, das sie dem Wodjanoi womöglich geopfert hatte, verdrängen.
Nackt und schutzlos ragte die Messingspindel heraus, im Umfang etwas dünner als ein Bleistift. Sie packte die Spindel mit der Rohrzange, bog sie hin und her, und der Stift brach ab.
Jetzt zu den Waschbecken.
»Oi, noch etwas«, blubberte es aus dem Abfluss. »Bei Eckventile du solltest an Seite hocken, nicht direkt davor. Drückt Wasser da recht heftig aus der Leitung.«
Sie umklammerte die Rohrzange so fest, dass ihre Fingerknöchel sich weiß färbten. Am liebsten hätte sie das Waschbecken, aus dem die Stimme des Wodjanois drang, in Stücke zerschlagen.
»Danke für den freundlichen Hinweis«, zischte sie durch die Zähne.
»So ich bin zu dir. Wie Beinahe-Vater zu seinem … aber lasst du dich
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