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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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Der Körper krachte gegen ein Regal und sackte auf dem Boden zusammen. Zarah hob die Taschenlampe, leuchtete der Besiegten ins Gesicht und brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass sie das Mädchen erkannt hatte. A… Alla?
    Lessa geht es gut .
    Teufelsfurz, nein, jetzt ganz sicher nicht mehr. Sie kniete sich hin, prüfte die Lebenszeichen und atmete auf. Alles so weit okay. Alessas Komplize war natürlich schon über alle Berge. Sie setzte ihm trotzdem nach, in der Hoffnung, sie würde ihn einholen. Allein konnte sie das bewusstlose Mädchen unmöglich von hier fortschaffen. Ließe sie es zurück, würde es in einer zum Verwechseln ähnlichen Box landen.
    Sie stieß die Tür auf, stolperte ins Helle und prallte mit jemandem zusammen.
    »Hiergeblieben!«, herrschte jemand sie an und packte ihren Oberarm.
    Dann brach ein fürchterlicher Tumult aus. Wieder heulte der Alarm los. Andere Wächter stürmten das Archiv und schrien etwas, um die Sirene zu übertönen, und Zarah wusste, dass es vorbei war.

»Wir wissen nicht, wohin die Reise geht; wir wissen nicht einmal: Who is driving?«
    Joseph Weizenbaum, österr.-amerik. Mathematiker
    Ich fühlte mich stärker, mächtiger, rücksichtsloser. Es tat weh und erschreckte mich, doch nach und nach nahm mich diese Kraft immer mehr ein. Der Gedanke, irgendwann das Schicksal dieser Welt in Händen zu halten, erfüllte mich mit Genugtuung. Ich sehnte mich danach, das Leben da draußen in vollen Zügen zu genießen. Und gleichzeitig spürte ich, wie mein Wesen sich in etwas Dunklem verlor. War es ein Teil von mir? War ich das überhaupt noch?
    Ab und zu traute ich mich, mein Zuhause zu verlassen, und beobachtete auf meinen heimlichen Streifzügen die Kreaturen, über die zu herrschen mir anscheinend vorherbestimmt war. Menschen, Dämonen, Engel – ich belauerte sie beim Wirken ihrer Zauber, wie sie um die Gunst der Magie buhlten und sich für kleine Erfolge abmühten. Ich sah, was die Magie ihnen dafür gab und was sie ihnen nahm.
    Ich hatte Mitleid mit ihnen.
    Mein nächtlicher Retter – ich mochte ihn immer weniger so nennen – ließ mehr und mehr Vorsicht walten. Ich ahnte, dass sich etwas Bedeutsames anbahnte, doch er erzählte mir kaum etwas von meiner Bestimmung. Ein Orakel, meinte er nur knapp, habe vorausgesagt, dass unser Universum, gegenwärtig in Nacht- und Lichtseite getrennt, wieder vereint würde. Durch jemanden, der sich sowohl den Tag als auch die Nacht untertan macht. Durch mich. Nirgends fand sich jedoch auch nur die kleinste Spur einer solchen Prophezeiung, obwohl es sonst in allen möglichen Überlieferungen von Offenbarungen nur so wimmelte. Ich musste Sorge dafür tragen, dass dem auch so blieb.
    Viel mehr machte mir jedoch der Hunger zu schaffen. Mein heimlicher Besucher ließ sich zunehmend seltener blicken, und so fiel es mir immer schwerer, meine Gier nach rohem Fleisch im Zaum zu halten. Dieses Verlangen zehrte an meinem Inneren, schwächte mich und trieb mich an die Grenze des Wahnsinns.
    Bis ich eines Tages tötete.
    Es kam wie ein Sog über mich, alles rückte in die Ferne, und ich versank in einem seltsamen Dämmerzustand. Mein Körper gehorchte nur primitiven Instinkten. Auflauern, anschleichen, zuschnappen.
    Ich kam erst zu mir, als meine Zähne sich bereits in das Fleisch gruben und krachend die zarten Knochen zermalmten.
    Mit einem Mal glaubte ich, an dem Fang zu ersticken, röchelte und stieß mit der Zunge die Überreste heraus, in der Hoffnung, ich würde es irgendwie schaffen, nicht hinzusehen. Kalter Schweiß bedeckte meine Haut. Mir wurde schwindelig.
    »Ah, warmes Fleisch, sehr delikat.« Die Stimme meines Retters hüllte mich ein. Er beobachtete mich, jeden meiner Schritte und jeden meiner Atemzüge. »Wobei ich gehofft hatte, dass du dich an eine – hm – größere Beute wagst.«
    Halb blind vor Entsetzen starrte ich auf die Büsche vor mir, ohne imstande zu sein, den Kopf zu drehen und zu ihm aufzuschauen. Ich hatte den Tod schon oft gesehen, aber noch nie hatte ich zwischen den Zähnen die letzten Zuckungen meiner Beute gespürt.
    »Ein Geächteter wäre womöglich zu viel verlangt, aber wenigstens ein Hund oder eine Katze. Und nicht so etwas.«
    Alles sträubte sich in mir, hinunterzublicken, dennoch tat ich es wider jede Vernunft. Auf dem verwelkten Gras lagen die halb zerkauten Überreste einer Ratte.
    Das war ich nicht … Meine Kehle schmerzte von stummen Weinkrämpfen, und die Augen, die keine Tränen mehr

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