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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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hatten räumen müssen. Die Menschen verschwanden hier, hieß es. Sie waren in die Felder oder das Gehölz gegangen und nicht zurückgekommen, bis die Übriggebliebenen ihre Sachen gepackt und sich davongemacht hatten. Seitdem nannten einige diesen Ort Geisterdorf, auch wenn Geister einen nicht minder großen Bogen um dieses Fleckchen machten. Es war still. So still, dass es sogar Zarahs Ohren mit einer seltsamen Taubheit umnachtete.
    Etwas weiter hinten, an einer Weggabelung, thronte auf einem Hügel eine Wohnanlage und versprach eine strategisch gute Aussicht.
    Sie stieg vom Pferd. »Kannst du reiten?«
    Alessa schaute auf. Ihre Augen waren blau und trüb wie der Morgenhimmel nach einer aufreibenden Nacht. »Ich soll ohne dich weiter? Und du, was ist mit dir?« Sie begriff viel zu schnell. Also war ihnen weniger Zeit vergönnt als gehofft.
    »Ich habe gefragt, ob du reiten kannst. Und nehme an: Ja.« Zarah drückte dem Mädchen die Ohrstöpsel in die Hand. »Steig auf.«
    »Stopp! Was … was hast du vor?«
    »Dir Rückendeckung zu geben. Keine Zeit für Diskussionen, sonst kriegen sie uns.«
    Alessa gehorchte. Anmutig saß sie auf Josepha, und ein leichter Druck ihrer Schenkel reichte aus, um das Ross in Bewegung zu setzen. An der Abzweigung zum Glindfeld hielt das Mädchen an. »Versprich mir, dass du mir heil nachkommst.«
    »Versprich mir, dass du heil ankommst.« Zarah drehte sich um und marschierte zum Hügel, immer schneller, bis sie irgendwann lief und nicht hören musste, ob die Pferdehufe auf den Boden aufschlugen oder ob Alessa ihr immer noch nachschaute.
    ›Seniorenwohnpark‹ verhieß das weiße Schild neben der Auffahrt. Es verhieß noch mehr: Den letzten Halt vor der ewigen Ruhe. Damals, als die Welt glaubte, dämonenlos zu sein.
    Sie rammte die Schulterstütze der Maschinenpistole in eine Fensterscheibe. Klirrend fielen die Scherben zu Boden. Die angestaute Luft, die auch nach all den Jahren noch nach alten Menschen roch, strömte nach draußen. Direkt neben dem Fenster befand sich ein kleiner Tresen. Von ihm aus führte ein Gang zu verglasten Türen, an einem Fahrstuhl und einer Treppe zu den oberen Etagen vorbei.
    Im zweiten Stockwerk fand sie ein Zimmer mit einer guten Sicht auf die Straße. Auch hier fiel die Fensterscheibe ihrer Schulterstütze zum Opfer, fast hätte sie einen kleinen Kübel mit Efeuranken aus Kunststoff vom Sims gefegt. In der Ferne ertönten Hufschläge. Die Aufseher hatten sich also ebenfalls Pferde besorgt. Sie zwirbelte ein Kunststoffblatt ab und steckte es sich zwischen die Zähne. Die Mündung ihrer MP 7 lugte aus dem Fenster. Ihre Nasenflügel bebten, als sie den Pferdeschweiß witterte und den Geruch aus dem Timmerhorn-Stall erkannte.
    Im gleichmäßigen Galopp zeigten sich die Verfolger auf der Straße. Die Reiter und ihre Pferde schienen in der Bewegung miteinander verschmolzen zu sein. Es sah so ästhetisch aus, so einfach, als bräuchte man bloß auf den Rücken der Tiere aufzuspringen, um davonzustürmen.
    »Konzentrier dich, Zarah.« Ihre Zähne zermalmten den Stiel des Efeublattes. »Du musst sie aufhalten. Jetzt!«
    Der Wind neigt die Zweige des Baumes und spielt mit den Blättern. Sie hat genug Zeit, das Zittern des Laubs zu betrachten, bevor sie durch die Zielvorrichtung zu den Reitern blickt. Die Hufe trommeln auf den Boden. Die Mähnen wehen.
    »Es tut mir leid, Mattes. Aber Tiere werden nicht mit einem Schutzzauber belegt. Die Aufseher vielleicht schon.«
    Sie schießt, weiß schon, dass die Waffe erst später reagieren wird, und wartet. Wartet. Wartet.
    Die Kugeln treffen in die erhitzten Pferdekörper. Die Tiere stolpern, fallen. Die Mähnen wehen.
    Sie spuckt das Efeublatt aus und läuft zur Tür. Sie steht schon auf der Schwelle, als sie hört, wie die Rufe ertönen und die Pferde auf den Boden aufschlagen, und sieht, wie sich der Vorhang, hinter dem sie sich verborgen hielt, bewegt.
    Sie muss zu sich zurückfinden. Doch die Welt dreht sich immer noch so unendlich langsam. Ihre Handrücken jucken. Dort, wo das Tageslicht ihre Haut durch das Fenster erreicht hat, ist sie gerötet.
    So weit ist es also schon.
    »Dämonen werden nicht zu Verwandelten«, versichert sie sich. »Das werden sie nicht. So einfach ist das.«
    Und – Gebrandmarkte?
    Zurückfinden, zu sich zurückfinden …
    Eine Ohrfeige trifft ihre Wange. Sie taumelt, sieht, wie der Boden auf sie zukommt, dreht sich im Fall um und kracht mit dem Rücken auf das Linoleum.
    Ihr eigenes Röcheln

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