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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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Timmerhorn – Pferdestall – Mattes – gute Geister.«
    »Du has-st es erfasst.« Mit einer schwachen Geste wischte Alessa sich das Haar aus dem Gesicht. Ein Hauch von einem Lächeln verzog ihre Lippen. »Und wehe, sollte sich sein Name nach ›Matjes‹ anhören!«
    »Keine Sorge.« Sie erwiderte das Menschenlächeln mit einem lässigen Schulterzucken. »Ich werde darauf achten, dass man ganz deutlich ›Bismarckhering‹ verstehen wird. Ruh dich aus.« Mit einer Hand tätschelte sie Alessas Schulter.
    Beinahe dankbar schloss das Mädchen die Augen.
    Dunkelheit, nichts als Dunkelheit, in der sich die gestochen scharfen Silhouetten der Bäume und Häuser abzeichneten, als hätte jemand die Konturen mit einem Bildbearbeitungsprogramm nachgezogen.
    Sie steuerte den Wagen in nordöstliche Richtung. Nur am Rande registrierte sie die Stadtteile, die vorbeizogen. Tausendzweihundertachtundfünfzig … Die Armaturenbrettuhr ging sehr genau. Wann hatte sie angefangen, wieder die Sekunden zu zählen? Ich muss das nicht machen. Ich kann damit aufhören, wenn ich will. Tausendzweihundertneunundfünfzig …
    Timmerhorn. Es waren genau zweitausendsechshundertachtundvierzig Sekunden, als sie den Wagen zum Stehen brachte, den Motor abwürgte und die Handbremse anzog. Sie kurbelte das Fenster hinunter und ließ den Wind herein, der kalt über die Bisswunde leckte.
    »Wir sind da.«
    Auf dem dunklen Sitzbezug wirkte Alessas Gesicht noch spitzer und erinnerte an die Farbe tauenden Schnees. Ihre Haut roch warm, nach Erschöpfung, nach leichter Beute.
    Wenn sie die Zunge ausstrecken würde, könnte sie diesen Hals schmecken, nur ein bisschen, dort, wo die Ader so zaghaft pochte und zum Zubeißen verlockte …
    Zarah riss an der Türklinke und warf sich der Türöffnung entgegen. Der Gurt schnitt in ihre Brust. Hastig tastete sie nach der Gurtschließe, befreite sich und fiel nach draußen. Unter den Handflächen – die frostige Erde. Aufstehen. Laufen. Sie lief so lange, bis sie nicht mehr die warme Erschöpfung und Verletzlichkeit riechen musste. Bis der kühle Dämmerungsdunst sie vergessen ließ, die Schritte zu zählen, die sie vom Auto wegtrugen. Bis sie mitten auf dem Hof, der von Ställen, Scheunen und kleinen Häusern umschlossen lag, anhielt.
    Zwischen den Gebäuden erhaschte sie einen Blick auf die Koppeln. Im Osten leckte die Röte über den Himmel und die Wolken. Ein Schnauben, das dumpfe Aufschlagen der Hufe auf den Boden und das Rascheln des Strohs, das Klappern eines Eimers – hier hatte die Stille viele Stimmen.
    Sie wischte sich über das Gesicht, ließ die Winterluft ihre Gedanken klären und trat in eine Stallgasse. Im hinteren Bereich hantierte jemand mit einem Eimer, während die Pferde die Köpfe aus den Boxen reckten, um bei ihrem Anblick sogleich zu scheuen.
    »Ich suche Mattes.«
    Die Pferde schnaubten und drängten sich gegen die Wände, als sie näher kam.
    »Ich …«
    »Er ist noch nicht da«, keifte eine weibliche Stimme.
    »Nun. Dann warte ich auf ihn.«
    Der Eimer klapperte ein Stück erboster. Zarah setzte sich auf den Boden, lehnte sich gegen eine Pferdebox und streckte die Beine aus. Dreihundertfünfundzwanzig Schritte, neunhunderteinundzwanzig Sekunden später stieg die Frau über sie hinweg und verließ den Stall. Sollte sie ihr folgen? Die Müdigkeit machte ihre Gedanken dumpf, ihren Kopf hohl. Sie würde einfach ein bisschen warten …
    Irgendwann öffnete sie die Augen und rieb sich die Lider. Schroff drängte sich die Stimme der Frau in ihr Bewusstsein: »Sie wartet schon eine ganze Weile auf dich.«
    Mattes.
    Er war um die 25 und schmal gebaut. Wenn er den Kopf neigte, rutschten ihm ein paar Strähnen seines Haars ins Gesicht wie eine dichte, glatte Pferdemähne. Seine Schritte erklangen unregelmäßig auf dem Betonboden. Das linke Bein zog er nach und stützte sich auf einen gewundenen Stab mit einem Metallknauf.
    Zarah kam hoch, klopfte sich die Hose ab und merkte, wie sie auf seinen Stock starrte. »Bist du Mattes? Ich brauche ein Pferd.«
    »Und ich – eine Fußmassage. Was bist du denn für ein Vogel?«
    »Gute Geister schicken mich.«
    Der Knauf wanderte von seiner rechten Hand in die linke, die blankpolierte Oberfläche des Holzes glänzte auf.
    »Hast du mich gehört?« Sie schaffte es, ihm endlich ins Gesicht zu schauen. In die Augen, die sie aufmerksam musterten. »Lessa und ich brauchen ein Pferd. Nur eins. Verstehst du? Ich muss in die To …«
    »Todendorf-Gegend, schon

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