Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde
klar.«
»Zum Höllenfürst, nein! Es ist …«
Sperrgebiet! , funkelten seine Augen sie an. »… zum Teil eine hübsche Reitstrecke.«
»Ja, richtig.« Rasch senkte sie die Wimpern. Starrte schon wieder auf sein Bein und den Gehstock. »Kann man hier nun ein Pferd für einen kleinen Ausflug leihen oder nicht?«
»Kannst du reiten?«
»Drei Jahre Unterricht …«, sie verschluckte ›an der Akademie‹, »… werden doch wohl reichen!«
»Aha.« Mit der Spitze des Stockes schob er ein paar Strohhalme beiseite. »Und wann hast du zum letzten Mal auf einem Pferd gesessen?«
Sie musste zählen. Schon wieder zählen. Jahre, Monate, Tage …
Er winkte ab und ging voraus. »Komm, ich glaube, ich habe ein Pferd für dich und deine Freundin.«
Auf dem Hof bedeutete er ihr zu warten und humpelte zu einem anderen Stall. Einige Zeit später kehrte er zurück. Er zog sein Bein nach, stützte sich auf den Gehstock, und das Pferd an seiner Seite stellte geduldig einen Huf vor den anderen. Die Dämmerung zeichnete alles ein wenig größer, doch dieses Ross mit seinem tonnenförmigen Rumpf auf den kurzen, kräftigen Beinen pflügte durch den Morgen wie ein Eisbrecher.
»Das ist Josepha. Willst du ihr ein paar Leckerli geben?« Schon drückte er ihr drei fingerdicke braune Snacks in die Hand.
»Na dann. Hallo?« Sie streckte dem Tier die Naschereien entgegen. Für so ein massiges Pferd hatte es eine erstaunlich feine Maulpartie. Um die Augen fanden sich graue Haare, die sein Alter verrieten.
Zögerlich nahmen die weichen Lippen die Snacks an. Sie wollte ihm über die Blesse streichen, doch es zog seinen Kopf unter ihrer Hand weg. Aber wenigstens schlug es nicht aus oder spielte verrückt wie die Pferde in den Boxen zuvor.
Sie senkte den Arm. »Mal ehrlich, was soll ich mit diesem Brocken? Ich will doch nur eine kurze Strecke reiten, nicht gleich in eine Schlacht ziehen.«
Das Pferd schnaubte.
Mattes strich der Stute über die Mähne. Seine Wange schmiegte sich an das seidig schimmernde Fell. »Josepha ist ein gutes Pferd. Und ehrlich – macht sie nicht den Eindruck, als wäre sie Wasnezows Gemälde ›Die drei Recken‹ entsprungen?«
»Genau danach sieht sie aus. Als hätte ihre Blütezeit nicht in diesem Jahrhundert gelegen.«
Mattes kniff die Lippen zusammen. Der Stock keilte sich in den Boden. »Steig auf.«
Sie zuckte die Schultern, stellte sich auf die linke Seite des Pferdes und schwang sich in den Sattel. Josepha trat von einem Bein auf das andere, blieb jedoch ruhig. Zeit zum Aufatmen. »Zufrieden? Ich kann das.«
»Gehen wir ein Stück.« Er humpelte neben der Stute her, eine Hand am Zaumzeug.
Sie spürte jede Bewegung des Pferdes, diese Kraft zwischen ihren Schenkeln, die sie zu bändigen glaubte. »Ist Josepha eigentlich leicht zu lenken?«
»Für jemanden, der drei Jahre Reitunterricht hatte, sicher keine Herausforderung.«
»Ich bin ein Weilchen nicht geritten.«
Er wandte ihr das Gesicht zu, sein rechter Mundwinkel zuckte. »Ein Weilchen ist gut. Ich habe schon Kartoffelsäcke beobachtet, die anmutiger auf einem Pferd aussahen.«
Am liebsten hätte sie ihm eine Kopfnuss verpasst, doch ihre Hände klammerten sich zu sehr am Vorderzwiesel fest. »Was auf diesem Gaul anmutig aussehen soll – das will ich erst mal erleben.«
An der Straße hielt Mattes an. Seine Finger verkrampften sich etwas mehr um das Zaumzeug, als wollte er es nicht loslassen. »Was ist mit Lessa?«, flüsterte er kaum hörbar. »Warum brauchst du nur ein Pferd?«
»Sie ist mit einem Ortungszauber belegt und wird nicht in der Lage sein, selbst zu reiten.«
Er drückte die Stirn gegen Josephas Hals. Seine Schultern spannten sich an.
Zarah betrachtete ihn vom Sattel herab. Wie oft hatte sie Enyas Gefühlsausbrüche überstanden? Diese anfangs verstörenden Momente, wenn ihre Schwester sich an sie schmiegte und bebend ›Halt mich fest‹ an ihrem Hals wisperte. Die Gefühle eines fremden Menschen in ihrer Nähe zu ertragen war noch einmal etwas ganz anderes.
»Möchtest du zu ihr? Ich habe außer Sichtweite geparkt. Da links.«
»Ja. Danke.«
Mit jedem Schritt wurden ihr die Bewegungen des Pferdes vertrauter. Sie entspannte sich, wagte es, den Vorderzwiesel loszulassen und die Zügel in die Hand zu nehmen. Mattes ließ das Zaumzeug nicht los. Wollten sie so bis in die Tote Stadt pilgern?
Erst am Auto gab er die Stute frei. Wie auf Kommando hielt Josepha an und schnupperte an den welken Gräsern am
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