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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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bist ein Mensch. Das kann ja nicht so schwer sein.«
    »Erfinde was. Du bist witzig.« Er befreite seine Jacke aus ihrem Griff und trat einen Schritt zurück. »Na schön. Gute Fee, lass es uns versuchen.«
    Friedbert schwang sich in die Luft. »Verstehe. Die Tussi sagt: ›Spring!‹, und du fragst: ›Wie hoch?‹ Dir ist hoffentlich klar, dass die Sirene auf dich losgehen wird, wenn ihr deine Darbietung nicht gefällt.«
    Himeropa öffnete den Mund. Eine Reihe spitzer Zähne schob sich über ihr normales Gebiss, ihr Atem pfiff schneidend hindurch.
    Gallagher räusperte sich. »Ich glaube, die Dame wird leicht ungeduldig. Komm schon, Gute Fee, ich brauche ein wenig Hilfe.«
    »Und was darf es sein?«
    »So groß ist mein Repertoire unter der Dusche nun auch wieder nicht. Im Grunde kenne ich nur eines.«
    »Bitte?« Friedbert wich ein Stück von ihm zurück. »Wenn du das tust, wird es der Sirene gehören und aus dem Gedächtnis der Welt für immer ausradiert sein.«
    »Ich fürchte, wir haben keine andere Wahl.«
    »Weißt du noch, wie wir uns genannt haben, als wir einst ein wenig zu viel getrunken und es gesummt haben? Ich und Ich. Nicht Ich und der Rest der Welt. Und jetzt willst du für die da unser Lied hergeben?« Sein Blick streifte Zarah.
    »Zarah ist doch nicht der Rest der Welt.«
    »Ach so ist das.« Friedberts Züge entgleisten. Die Hände ballten sich zu winzigen Fäustchen. »Dann ist es natürlich nicht schade drum.«
    Aber Gallagher sah die Fee schon lange nicht mehr an. Sein Lächeln galt Zarah. »Ja, ist es nicht.«
    »Verstehe. Viel Spaß dann, ihr zwei.« Die Fee gab den Rhythmus vor, die Sommersprossen huschten silbern über ihr Gesicht und blinkten im Takt der Musik, die unhörbar in der Luft zu schweben schien. Gallagher tippte mit einem Fuß auf den Boden, um in den Rhythmus zu finden, begann zu summen und löste sich immer mehr in dem Klang auf. Für einen Augenblick schloss er die Lider, und als er wieder aufschaute, flossen die ersten Worte in die Musik ein. » Ich hatte schon längst keine Hoffnung mehr, doch jemand hat dich geschickt, von irgendwo her … « Im Wimpernschlag der Stille setzte Zarahs Herz aus. » Du hast mich gefunden, in der letzten Sekunde. «
    Sie hörte ihm zu, ohne sich zu rühren, während seine Stimme einen Teil von ihr mit sich davontrug.
    Sie war mit dem Sirenengesang aufgewachsen. Mit der toten Musik aufgesaugter Menschenlieder, in emotionsloser Perfektion vorgetragen. Gallagher dagegen traf nicht die richtigen Töne, manchmal sogar so falsche, dass es schmerzte. Aber noch mehr schmerzten sie die Gefühle, die in ihr hochkamen, sie erstickten und ihr Tränen in die Augen trieben. Was war mit ihr los? Und plötzlich wusste sie, warum Menschen nicht mehr singen durften.
    » Du bist das Pflaster für meine Seele … «Sie fühlte seine Hand in der ihren,den warmen Druck seiner Finger. Mit einem Ruck zog er sie an sich. Sein Arm umschlang ihre Taille. Nicht fest, aber sie konnte trotzdem kaum atmen.
    »Nein, nein.« Sie schüttelte den Kopf, versuchte sich zu befreien. »Singe nicht für mich. Singe für sie .«
    Auch er schüttelte den Kopf, ohne seinen Blick von ihr zu lösen. Erst jetzt merkte sie, dass sie sich zusammen bewegten, im Takt der Musik.
    Er drehte sie herum, und plötzlich war sie wieder an seiner Brust, ihre Hand klammerte sich an seine Schulter, drückte ihn fester an sich.
    » Und jetzt die Gewissheit, die mir keiner nimmt, wir waren von Anfang an füreinander bestimmt. «
    Ihre Lippen flüsterten ihm nach, so atemlos nah an seinem Mund: » Wir haben uns gefunden, in der letzten Sekunde. «
    Mit einem hohen, durchdringenden Schrei stürzte sich die Sirene auf Gallagher und riss ihn aus Zarahs Armen. Zarah wurde auf das Kopfsteinpflaster geschleudert.
    Die Welt hielt all ihre Lieder an und hatte aufgehört zu atmen.

»Wir stehen am Vorabend großer Ereignisse.«
    Napoleon Bonaparte, frz. Kaiser
    Kein Licht – weder in mir noch um mich herum. Mit jedem Atemzug wurde ich schwächer, und während ich in meiner Ecke kauerte und in der Finsternis keuchte, war ich mir nicht einmal sicher, ob ich überhaupt noch lebte. Die Stimmen riefen mich mit sich, immer wieder versuchte ich, mit ihnen zu fliehen, doch mein irdischer Körper hielt mich im Kerker zurück.
    Als die Metalltür sich öffnete, nahm ich es kaum wahr. Die Schritte ließen den Boden vibrieren, an den ich meine Wange drückte, und hallten in meinem Kopf nach. Er hatte die Tür nicht

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