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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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bejahte.
    »Es kommt vermutlich darauf an zu durchschauen, was da psychologisch abläuft«, sagte Jonathan. »Sonst fällt man drauf rein.«
    »Ich meine, du hast genug gesagt, Jonathan«, sagte Rina.
    »Laß ihn zu Ende reden«, beharrte Decker.
    Jonathan fuhr fort. »Sie kamen spät abends vorbei, wenn Rina total geschafft war, stellten das Licht ganz schwach und sprachen mit sehr leiser Stimme … ›Rinalah. Du bist doch noch so jung. Du solltest dich nicht an einen Mann verschwenden. Du bist eine mutige Frau, du solltest einen Torah-Gelehrten wie Yitzchak nehmen, alaw ha-Schalom. Ich kenne so einen Jungen. Und er möchte dich gern kennenlernen …‹«
    »Hör auf!« flüsterte Rina. Sie sah Peter an. Sein Gesicht war rot vor Zorn.
    Jonathan sprach weiter zu Decker. »Hinterher hat sie mich immer angerufen. Mit mir haben die nämlich das gleiche Spielchen gemacht, als ich beschlossen hab, die Jeschiwa zu verlassen. Wir haben uns dann gegenseitig bedauert. Sie sollten allerdings nicht wütend auf die Rabbis sein, Akiva. Nach ihrem Verständnis tun sie nämlich genau das Richtige. Außerdem war Rina vermutlich wütend genug für euch beide zusammen. Sie hatte sich schon längst entschieden. Sie hatte nur Augen für Sie.«
    Einen Augenblick sagte niemand etwas. Schließlich brach Decker die Spannung mit einem Lachen und legte den Arm um Rina.
    »Zumindest weiß ich, daß du treu bist.«
    »Das nennt man auch Liebe«, sagte Rina. Sie sah zu Jonathan, der ziemlich beunruhigt wirkte, und sagte: »Ist schon in Ordnung, ich bin nicht sauer.«
    »Das freut mich, aber das ist es nicht, was mir Sorgen macht. Ich denke an Noam. Mit wem redet er überhaupt, Rina? Vielleicht sollte ich versuchen, an ihn ranzukommen. Den Sprung wagen und mir den Zorn meines Bruders zuziehen.«
    In diesem Moment kam Ezra Levine aus dem Haus und führte das gleiche Schauspiel auf wie seine Frau wenige Minuten zuvor. Schließlich bemerkte er Jonathan und fragte: »Hast du Noam gesehen, Yonasan?«
    »Nein, hab ich nicht, Ez.«
    »Du hast ihn auch nicht zufällig früher am Tag gesehen oder mit ihm gesprochen?«
    Jonathan bemerkte den besorgten Unterton in der Stimme seines Bruders. »Nein.«
    Ezra sah erneut die Straße hinab. Viele Leute kamen zurück aus der Synagoge, aber sein Sohn war nirgends zu sehen.
    »Soll ich nach ihm gucken, Ez?« fragte Jonathan und fügte an Decker gewandt hinzu: »Noam streunt ständig herum. Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, wieder ein bißchen mehr Kontakt zu ihm herzustellen.«
    Ezra nahm seinen Hut ab, rückte die schwarze Jarmulke darunter zurecht und setzt den Hut wieder auf. Dann sagte er: »Macht es dir auch nichts aus, Yonie?«
    »Kein Problem.«
    »Ich komme mit«, sagte Decker spontan.
    Rina sah ihn überrascht an. »Alles nur, um dich vor diesem Mittagessen zu drücken.«
    Decker lächelte sie leicht melancholisch an. Rina spürte sofort seine Traurigkeit. Was ihr dieses Lächeln nicht alles sagte.
    Jonathan. Sein Bruder. Apropos Kontakt herstellen .
    Decker faßte sich rasch wieder. »Ich will mich vor gar nichts drücken. Ich dachte nur, Jonathan könnte vielleicht ein geschultes Auge brauchen.«
    Alle fingen an zu lachen, allerdings mehr aus Erleichterung als aus Freude.

8
    Sie blieben entschieden zu lange weg, und alle bemühten sich verzweifelt, die Verspätung zu erklären.
    »Sie müssen sich verlaufen haben«, sagte Breina. »Geh nach ihnen suchen, Ezra.«
    »Das ist doch lächerlich«, entgegnete Ezra. »Yonie ist hier aufgewachsen.«
    »Yonie war aber fort«, giftete Breina zurück.
    »Yonie hat sich nicht verlaufen, Breina«, sagte Shimon. »Beruhige dich. Sie kommen bestimmt gleich zurück. Wahrscheinlich hat Yonie jemand getroffen und vergessen, daß hier vierzig Leute auf ihn warten. Du weißt doch, wie er ist.«
    »Er ist ein typischer zerstreuter Professor, Breina«, sagte Miriam. »Mach dir keine Sorgen.«
    »Er ist unmöglich, was Pünktlichkeit angeht«, fügte Faygie hinzu.
    »Kommt immer zu spät«, stimmte Rinas Schwägerin Esther ein.
    Rina überzeugte das alles nicht. Selbst wenn Jonathan unzuverlässig war, Peter war es jedenfalls nicht. Doch sie schwieg.
    Eine Weile sagte niemand etwas. Dann brach Ezra das Schweigen.
    »Ich hab gedacht, du würdest auf ihn aufpassen«, schalt er seine Frau.
    »Ich hatte die Mädchen«, sagte Breina. »Für die Jungen bist du verantwortlich.«
    »Noam hatte schon vor einem Jahr seine Bar Mitzwa. Soll ich auf ihn aufpassen wie auf ein

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