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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Fernseh- und Videogeräte reparierten. Da gingen die Juden von Crown Heights ganz bestimmt nicht hin, weil sie – ebenso wie die Boro Parkers – keine Fernseher hatten. Und ebenso wie in Boro Park wurden viele dieser Billigläden von ultra-orthodoxen Juden betrieben.
    Um neun Uhr abends waren die normalen Geschäfte geschlossen, und auf den Bürgersteigen war nicht viel los. Alle Fußgänger, die er sah, waren schwarz. Nachdem er die Straße zweimal auf und ab gefahren war, notierte er sich die Namen der Schnapsläden – insgesamt drei – und der Lokale, die Alkohol ausschenkten – achtzehn, wenn man alle Restaurants und Bars zusammenzählte. Obwohl Decker davon ausging, daß Yossie Weinstein Hersh nicht in einer Bar kennengelernt hatte, war es immerhin möglich, daß Hersh häufiger allein oder mit anderen in Kneipen ging.
    Decker sah auf seine Liste.
    Als erstes nahm er sich das Empire Liquor House vor, einen kleinen Laden, knapp fünfzig Quadratmeter. Ein Dobermann mit einem riesigen Kopf lag an der Tür. Das Tier schien zu schlafen, doch Decker bemerkte, wie es die Ohren spitzte, als er über die Schwelle trat.
    Der Laden war praktisch nur ein größeres Kabuff. Rechts war alles mit Verkaufsständern, vollgepackt mit billigem Wein und Whiskey, zugestellt. Links war die Theke. Dahinter stand ein Schwarzer Mitte Vierzig. Er war dürr wie eine Bohnenstange. Sein Gesicht war voller weiß gesprenkelter Bartstoppeln. Auf dem Kopf hatte er eine kreisrunde Stelle glänzender brauner Haut. Hinter der Theke standen die teuren Getränke. Wenn jemand was davon stehlen wollte, müßte er über die Absperrung springen. Ganz in der Ecke war die Registrierkasse.
    »Was wollen Sie?« fragte der dünne Mann.
    Er hatte eine hohe Stimme. Offenkundig wollte er überhaupt keine Antwort hören, sondern nur zu verstehen geben: Warum, zum Teufel, belästigen Sie mich?
    »Ich bin nicht beim NYPD«, sagte Decker.
    Der dünne Mann schwieg.
    »Haben Sie jemals Alkohol an einen jungen Burschen namens Hersh verkauft?« fragte Decker.
    »Kenne keinen Hersh.«
    »Lassen Sie mich ihn beschreiben …«
    »Kenne keinen Hersh.«
    Decker strich seinen Schnurrbart glatt, dann zog er seine Brieftasche und schnipste einen Zehner auf die Theke. Der dünne Mann beäugte das Geld, dann Decker, sagte aber kein Wort. Decker beschrieb Hersh. Diesmal hörte der Dünne zu. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Hier gehen tausend kleine Rambos ein und aus – Italiener, die sich für Gott weiß wie toll halten.«
    »Hersh ist Jude, nicht Italiener«, sagte Decker.
    »Juden, Italiener – für mich sehn alle weißen Jungen gleich aus.«
    Decker nahm einen weiteren Zehner heraus sowie das Foto von Noam Levine. »Haben Sie den schon mal gesehn?«
    »Wenn Sie diese Sorte Matzenfresser suchen, sind Sie auf der falschen Seite vom Empire.«
    »Kommen denn nie Juden auf Ihre Seite?«
    Der Dünne verstummte wieder. Decker nahm einen dritten Zehner heraus. Der Dünne verzog seinen Mund zu einem heimtückischen Grinsen. Er hatte breite Lücken zwischen den Zähnen. »Ein paar von denen kommen schon mal hier rein.«
    »Warum?«
    Der Dünne zuckte die Achseln, als ob er keine Ahnung hätte.
    »Hör mal, Kumpel«, sagte Decker. »Der Junge auf dem Foto ist verschwunden, und ich rackere mich bereits seit zwei Tagen für nichts und wieder nichts ab. Ich bin müde und hab Ihnen ’n paar Dollar hingelegt, also tun Sie was für mich, bevor ich stinksauer werde und meinen Frust an Ihnen auslasse.«
    »Sie sind zwar nicht beim NYPD, aber Sie sind irgend ’n Bulle. Sie reden wie ’n Bulle, und Sie gehn ran wie ’n Bulle.«
    »Sie merken aber auch alles. Würden Sie jetzt vielleicht meine Frage beantworten?«
    »Yeah, ein paar Matzenfresser kommen schon hier rein.«
    »Warum?«
    »Die kriegen zu Haus nich genug und meinen, ich könnt ihnen helfen.« Der Dünne grinste. »Kann ich natürlich nich.«
    »Natürlich nicht.« Decker warf eine Fünf-Dollar-Note auf die Theke. »Was erzählen Sie denen denn?«
    »Ich sag ihnen nur, wo sie hin solln.«
    »Und wohin?«
    »Zur Willyburg Bridge«, sagte der Dünne. »Das spielt sich alles im Freien ab. Die Schwestern besorgen’s denen, bevor sie zu ihren Alten nach Haus gehn. Das sollten Sie mal sehen, wie die Löckchen hüpfen, während man die Ladies überhaupt nicht sieht, die ihnen kräftig einen blasen.«
    Decker stöhnte innerlich, ließ sich jedoch nichts anmerken. Männer waren Männer, ganz gleich in welcher Kultur sie lebten. Doch

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