Tag der Entscheidung
soll. Ich weiß nicht, was ich von Euch halten soll. Aber Ihr jagt mir eine Angst ein, die bis in mein tiefstes Inneres reicht; das ist die Wahrheit.« Ihre weichen Mandelaugen füllten sich mit Tränen. »Ich habe Angst und weiß nicht, warum.«
Für einen Augenblick blickten sich der Supai und die ehemalige Kurtisane in quälender Verwirrung an. Lujan war wie gefesselt; er hielt den Schwertgriff viel zu fest umklammert.
Nach einigen kaum auszuhaltenden Sekunden begriff Mara, daß sie diejenige war, die versuchen mußte, die Spannung zu lösen. »Kamlio, du verspürst Angst, weil du endlich erfährst, wie es ist, wenn man etwas zu verlieren hat. Geh jetzt und erfrisch dich mit kaltem Wasser.« Als wären unsichtbare Fäden durchtrennt worden, die sie bislang festgehalten hatten, verbeugte sie sich voller Dankbarkeit und Erleichterung und eilte zur anderen Seite des Vorhangs, wo sie allein war.
Als Mara den gekränkten Ausdruck in Arakasis Gesicht sah, schenkte sie ihm ein jugendliches Grinsen. »Ihr gewinnt«, flüsterte sie. »Das Mädchen hat Euch einen Blick in ihre Gefühle werfen lassen.«
Arakasi ließ seine Hände kraftlos auf die Knie fallen. Gleichermaßen angespannt und voller Hoffnung fragte er: »Glaubt Ihr wirklich?«
Lujan brach in lautes Lachen aus und schlug dem Supai kameradschaftlich auf die Schulter. »Mann, du hast mein Wort darauf.. Die meisten von uns machen so etwas in ihrer Jugend durch – aber deine Jugend setzt eben etwas später ein als bei den meisten anderen. Lady Mara hat recht. Du hast das Mädel in deinem Bett, wenn du nur bereit bist, ein bißchen von der Seite in dir zu offenbaren, die Hilfe benötigt.«
Arakasi saß mit vor Verblüffung hochgezogenen Brauen da. »Was?«
»Sie muß sehen, daß Ihr sie braucht«, erklärte Mara.
Als der Supai daraufhin immer noch ein verwirrtes Gesicht machte, meinte Lujan: »Bei den Göttern, sie hat dich niemals einen Fehler machen sehen. Du hast Tong-Attentäter getötet und überlebt; du hast sie im Bett ihres Herrn geliebt, und wenn du geschwitzt hast, dann eher aus Leidenschaft als aus Furcht. Du hast sie auf eine Weise berührt, wie es nur wenige Männer können, wette ich, was bedeutet, daß du die erste lebende Person bist, die ihre Gefühle gesehen hat. Das ängstigt sie, weil es bedeutet, daß ihre Schönheit oder ihre Kenntnisse versagten oder daß du zu schlau warst, ihrer Verführung zu verfallen. Ein Mann in ihren Armen ist nicht dazu da, um an irgend etwas anderes als sein steifes Organ zu denken. Also ist sie verschreckt. Keine ihrer Fähigkeiten wird ihr etwas nützen, wenn es um dich geht. Sie hat keine Maske, um sich zu schützen. Sie steht vor einem Mann, der sie verstehen kann, aber dessen Gefühle sie nicht versteht. Die Spiele im Schlafzimmer langweilen sie, denn Zärtlichkeit einem Mann gegenüber gehört nicht zu ihren Erfahrungen. Du wirst sie führen und es ihr zeigen müssen. Doch dafür muß sie ihre Ehrfurcht vor dir verlieren. Versuch einmal, über einen Stein zu stolpern und ihr vor die Füße zu stürzen, und dann wirst du feststellen, daß sie sich sofort zu dir kauern und beginnen wird, dein aufgeschürftes Knie zu verarzten.«
Mara meldete sich zu Wort: »Für einen Flegel, der sich die Frauen zunutze macht, seid Ihr überraschend einfühlsam, Lujan.«
Der Kommandeur grinste, während Arakasi meinte: »Ich werde darüber nachdenken.«
»Wenn du auch nur einmal nachdenkst, wenn es um Frauen geht, bist du verloren.« Lujan grinste. »Zumindest habe ich noch niemals gehört, daß sich jemand aus Gründen der Vernunft verliebt hat.«
»Lujan hat recht«, ermutigte Mara. Sie spürte instinktiv die Wahrheit. Hokanu und sie teilten ein perfektes gegenseitiges Verständnis, eine Harmonie von Körper und Geist. Doch mit dem halsstarrigen, unverfrorenen Kevin, der mit ihr gestritten und sie manchmal zum Schreien gebracht hatte, hatte sie eine Leidenschaft verbunden, die in all den Jahren niemals erloschen war. Einen Augenblick ließ die Erinnerung ihr Herz schneller schlagen – bis ein kleiner Windstoß Qualm ins Zelt trieb und sie an ihren Kampf und die vordringlichen Probleme erinnerte, die ihrer sofortigen Aufmerksamkeit bedurften. »Schickt nach unserem Kriegsberater«, sagte sie. »Wir müssen für jeden möglichen Fall einen Plan haben und uns, bis es zur Entscheidung kommt, vor allem um eins kümmern: am Leben zu bleiben.«
Einen Augenblick wurde es still im Zelt. Der Wind trug die Geräusche des
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