Tag der Entscheidung
feinsinnig, um einen Tadel vor den Kriegern und Dienern zu riskieren, der die mangelnde Selbstbeherrschung seines Herrn hätte zutage treten lassen.
Es waren genau diese Eigenschaften, die Chumaka zum idealen Kaiserlichen Berater machten, überlegte Jiro und lächelte beinahe. Seine Stimmung hatte sich jetzt deutlich gebessert, und er betrachtete seinen Berater, dessen normalerweise ohnehin krummer Rücken in der nassen, schweren Kleidung noch runder wirkte. »Warum sollten wir Mara noch mehr Zeit geben, ihre Interessen zu verfolgen? Euer Netzwerk hat bestätigt, daß sie den Goldenen Thron für Justin beansprucht.«
Chumaka trommelte mit einem Finger gegen seine Wange, als würde er grübeln; doch an dem berechnenden Glanz in den Augen seines Ersten Beraters erkannte Jiro, daß er ihn beobachtete. »Mylord«, sagte Chumaka schließlich, »Euer Kommandozelt ist vorbereitet. Ich schlage vor, wir sprechen dort über diese Dinge, wo es angenehmer und ruhiger ist.«
Jiro lachte. »Ihr seid schlüpfriger als ein frisch gefangener Fisch, Chumaka. Also gut, sehen wir zu, daß wir trocken werden und heißen Tee bekommen. Doch danach gibt es kein Ausweichen mehr! Bei den Göttern, ich werde meine Antwort von Euch bekommen. Und nach all diesen Verzögerungen und Ausflüchten sollte sie es wert sein!«
Jetzt lächelte Chumaka. Er verneigte sich kurz und mit leichtem Selbsttadel. »Mylord, habe ich jemals darin gefehlt, meine Handlungen Euren Wünschen anzupassen?«
Jiro, dessen Laune so schnell wechselte wie die vom Wind getriebenen Wolken über ihnen, antwortete mit zusammengebissenen Zähnen: »Mara lebt noch. Bringt mir ihren Kopf, und ich werde Euch zustimmen, daß Ihr mich niemals enttäuscht habt.«
Chumaka war nicht im mindesten unbehaglich zumute bei diesen Worten, die ein anderer Mann als offene Drohung hätte auffassen können. »In der Tat, Mylord, genau das ist es, was ich anstrebe.«
»Hah!« Jiro schritt durch den düsteren Wald auf das größte Zelt zu. »Versucht nicht, mich zum Narren zu halten, alter Mann. Was Ihr anstrebt, entspringt direkt Eurer tiefen Begeisterung für Intrigen.«
Chumaka wrang den Saum seines tropfenden Gewandes aus und folgte seinem Herrn ins Kommandozelt. »Mylord, das ist gut gesagt, doch sollte ich tatsächlich etwas nur um der Sache selbst willen tun, wäre es bloße Eitelkeit. Die Götter lieben solche Fehler bei einem Menschen nicht. Daher arbeite ich für den Ruhm Eurer Sache, Mylord; das ist alles. Ich bin stets Euer loyaler Diener.«
Jiro beendete die Diskussion mit einer abwehrenden Geste. Er holte sich seine philosophischen Inspirationen lieber aus Büchern, denn denen fehlte Chumakas irritierende Neigung, alles und jeden totzureden.
Im Innern des Kommandozelts wurde noch immer an Kleinigkeiten gearbeitet. Eine Laterne war angezündet worden, und Diener waren eifrig damit beschäftigt, Kissen und Wandbehänge auszupacken. Von außen mochte Jiros Unterkunft schlicht aussehen, doch im Innern bestand er auf einer gewissen Behaglichkeit, auf schönen Seidenvorhängen und zwei Kisten mit Buchrollen. In der letzten Zeit hatte er sich mit komplizierten Gesetzesfällen beschäftigt, mit öffentlichem kaiserlichem Wirken und besonders mit der Frage, welche Zeremonien von welchen Priestern der Zwanzig Götter durchgeführt werden mußten, um die Krönung eines Kaisers in den Augen des Himmels recht erscheinen zu lassen.
Es war eine anstrengende Lektüre gewesen; das Licht der Laternen war fast zu schwach zum Lesen, aber hell genug, um Insekten anzulocken. Der Lord der Anasati schnippte mit den Fingern, und ein junger Diener eilte herbei. »Nimm mir die Rüstung ab. Achte darauf, daß alle Lederriemen eingeölt werden, damit sie nicht steif werden.« Jiro wartete reglos wie eine Statue, während der Junge die ersten Schnallen öffnete.
Obwohl sein hohes Amt auch ihm die Hilfe eines Dieners zugestand, haßte Chumaka eine derartige Anmaßung. Er schälte sich aus der Wolle und ließ sich auf seinen Platz sinken. Jiros lautlose, fähige Dienerschaft hatte ihm gerade eine dampfende Kanne Tee gebracht, als ein summendes Geräusch die Luft durchschnitt.
»Ein Erhabener kommt!« rief er warnend.
Jiro riß den letzten Teil der Rüstung ab und wirbelte herum, während sich hinter ihm sämtliche Diener unterwürfig auf den Boden warfen. Als ein Windstoß das Zelt schüttelte und die Wandbehänge an den Stützstangen flatterten, setzte Chumaka die Teekanne ab, glitt in den hinteren
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