Tag der Entscheidung
bewaffneten Lagers herbei; eines Lagers, das immer mehr in die Wirren der Ereignisse geriet, die nur allzubald zu einem großen Krieg werden konnten.
Das Gewitter zog vorbei, und das Geräusch der von den Bäumen fallenden Tropfen vermischte sich mit den Rufen der Offiziere, die die Errichtung eines Lagers überwachten. Die Rüstungen der Krieger trugen keine Markierungen, und die Zelte, an denen sie arbeiteten, waren von tristem Braun. Auf den ersten flüchtigen Blick unterschied sich das Lager dieser Kompanie in nichts von den tausend anderen, die überall im Kaiserreich an wichtigen Stellen verstreut waren; nur überwachte dieses weder eine Kreuzung noch eine Brücke und auch keine Festung oder etwas anderes von Bedeutung. Etwa einen Viertagemarsch von Kentosani und einem möglichen Kampf entfernt, bereitete sich diese Truppe in den unwegsamen Wäldern auf die Nacht vor.
Die zur Schau gestellte Disziplin war beeindruckend, als Bedienstete und gewöhnliche Krieger sich daranmachten, Zeltpflöcke einzuschlagen und Firststangen zu setzen. Auf einer kleinen Anhöhe unter einer Ansammlung von tropfenden, immergrünen Bäumen schritt ein Mann aufgeregt hin und her, gefolgt von einem kleineren, geschmeidigeren in einem geölten Wollgewand.
»Wie lange muß ich noch warten?« blaffte Jiro.
Ein Diener trat vor ihn und verbeugte sich. Jiro ging um ihn herum, und der Diener, an die Launen seines Herrn gewöhnt, seit die Armeen auf dem Marsch waren, preßte sein Gesicht in die nassen Blätter auf dem Boden. »Euer Kommandozelt ist schon bald fertig, Mylord.«
Jiro wirbelte herum, die Augen mißbilligend zusammengekniffen. »Ich habe nicht mit dir gesprochen!« Während der Armselige sich als Buße für das Mißbehagen, das er seinem Herrn zugefügt hatte, der Länge nach in den Dreck warf, ließ der Lord der Anasati seinen Blick zu seinem Ersten Berater schweifen, der ihn jetzt eingeholt hatte. »Ich habe gefragt, wie lange noch?«
Chumaka wischte sich einen Wassertropfen von der Nasenspitze. Er sah selbstgefällig aus, trotz der nassen Kleidung und dem anstrengenden Tagesmarsch durch eine unwegsame Wildnis. »Geduld, Mylord. Ein falscher Schritt könnte jetzt all das zerstören, worauf wir seit Jahren hingearbeitet haben.«
»Weicht meiner Frage nicht aus«, entgegnete Jiro. Er war nicht in der Stimmung, die rhetorischen Tricks seines Ersten Beraters zu ertragen. »Ich habe Euch gefragt, wie lange noch? Wir können die Belagerungsmaschinen vor Kentosani nicht ewig unbenutzt stehenlassen. Jeder neue Tag vergrößert das Risiko; irgendwann könnte der Lord der Omechan ungeduldig werden und sie womöglich für seine eigenen Zwecke nutzen, statt auf sie aufzupassen. Und jede Verzögerung dient den Truppen der Shinzawai, deren Chance steigt, der Kaiserlichen Garde zu Hilfe zu kommen. Außerdem müssen wir damit rechnen, daß die Versammlung uns beobachtet! Sie könnte jederzeit einschreiten und einen Angriff verbieten! Im Namen der Götter, Chumaka, worauf warten wir also noch?«
Falls diese Tirade den Ersten Berater der Anasati überraschte, zeigte er es nicht. Seine ledrigen Gesichtszüge waren ausdruckslos, als Jiro weiterschritt. Erst nach etwa sechs weiteren großen Schritten bemerkte der Lord, daß sein Diener, von dem er eine Antwort gefordert hatte, nicht länger an seiner Seite war. Er unterdrückte einen Fluch. Chumaka war so raffiniert wie immer. Denn entweder würde Jiro seine innere Unruhe zugeben, wenn er zurückging, um die Antwort zu erhalten, oder er mußte seinen Ersten Berater zu sich befehlen – doch da die Entfernung zwischen ihnen schon ziemlich groß war, würde er dazu seine Stimme erheben müssen, was wiederum bedeutete, daß alle in Hörweite erführen, daß er selbst bei einer unbedeutenden Sache Schwierigkeiten hatte, sich durchzusetzen.
Jiro hätte schon allein deshalb gern gerufen, um seinem Ärger Luft machen zu können, doch da ein Kontingent der Omechan bei ihm zu Gast war, sah er sich gezwungen, nachzugeben und zu Chumaka zurückzukehren.
Er war aus anderen Gründen schon verärgert genug, daher hinterließ dieser persönliche Rückschlag keinerlei Bitterkeit. Tatsächlich bewunderte Jiro die Raffinesse seines Ersten Beraters. Ein Herrscher, der seine Unruhe und Wut zeigte, besaß keine innere Würde, und einer, der es auf die kaiserliche Krone abgesehen hatte, mußte lernen, unbedeutende Gereiztheiten beiseite zu schieben. Chumaka – immer ganz der Lehrer – dachte viel zu
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