Tag der Entscheidung
Eine gute Wahl.«
»Irgendwelche Strategien?« fragte Lujan kurz angebunden. »Ich hätte gern Eure Meinung, bevor wir uns mit den Offizieren treffen und die Einzelheiten besprechen.«
Jetzt zuckte Irrilandi mit den Schultern. »Laßt uns einen breit angelegten Kampf anzetteln, einen mit vielen kleinen Einheiten und verschiedenen Angriffspunkten. Wir haben genügend Krieger, und die Götter wissen, wir können Dutzende von Boten mit Botschaften aufs Feld und wieder zurück schicken. Die Bogenschützen sollten nicht von einem einzelnen Punkt aus feuern; im Gegenteil, sie sollten sich überall auf dem Feld verteilen und von Dutzenden von Plätzen die Feinde beschießen.«
Lujan hielt verblüfft inne, während er den Vorschlag überdachte; dann begriff er, was sein Zweiter Kommandeur vorhatte. Er warf den Kopf zurück und lachte in heller Bewunderung. »Bei den Göttern! Das ist der beste Rat, den ich in all meinen Jahren als Kommandeur gehört habe! Verbreite soviel Verwirrung wie möglich, um Zeit zu gewinnen und möglichst viel Schaden anzurichten!«
»Wenn wir schon die Versammlung dazu zwingen wollen, uns einzuäschern, sollten wir genügend von unseren Feinden in die Hallen Turakamus mitnehmen, damit das Lied von unserem Ruhm und unserer Ehre auch laut genug erklingt.« Als Irrilandi aufblickte, war sein Gesicht so ausdruckslos, daß selbst Keyoke in seinen unzugänglichsten Zeiten dagegen geradezu lebendig gewirkt hätte. »Hoffen wir, daß es funktioniert. Und möge zumindest das Mitleid der Götter auf uns fallen.«
Der Nachmittag verging in hektischer Betriebsamkeit, überwacht vom Zweiten Kommandeur Irrilandi, während Lujan die letzte Gelegenheit wahrnahm, ein wenig zu schlafen. Obwohl Maras Befehl einem Todesurteil gleichkam, scheute keiner der Krieger davor zurück, seinen Beitrag zu leisten. Das Sterben war für einen Tsurani etwas Selbstverständliches, und dem Roten Gott im Kampf zu begegnen war der schönste Lobgesang für einen Krieger. Wenn der Name der Acoma fortbestand und an Ansehen und Macht gewann, wuchsen auch die Chancen eines Soldaten, bei der nächsten Drehung des Rads des Lebens eine höhere Position zu erklimmen.
Es lag eine gewisse Ironie dann, dachte Lujan, als er sich vor Sonnenuntergang erhob und hastig eine Mahlzeit verschlang, daß gerade jene Traditionen und Überzeugungen, die den Eifer der Krieger befeuerten, diejenigen waren, die Mara abschaffen wollte – falls Justin überlebte und das nächste Licht des Himmels wurde. Einige der Offiziere wußten davon; wenn es überhaupt eine Wirkung hatte, dann die, daß sie noch härter arbeiteten. Einer der immer wiederkehrenden Alpträume eines Kriegers war der, eines Tages zu erwachen und festzustellen, daß man noch lebte, aber von einem Feind gefangengenommen worden war. Der Tradition entsprechend wurden die Offiziere getötet, doch ein besonders grausamer Sieger mochte sie auch am Leben lassen, damit sie fortan ohne jede Hoffnung auf Begnadigung als Sklaven ihr Dasein fristen mußten. Wenn Mara also dem Tod in der Schlacht den Ruhm nahm, dann schaffte sie gleichzeitig auch die erniedrigende Sklaverei ab, die einen Menschen ungeachtet seiner Fähigkeiten oder Verdienste zermalmte.
Der Sonnenuntergang tauchte den Himmel in goldene und kupferne Farben, dann traten die Sterne hervor. Im Schutz der Dunkelheit bezogen Maras Krieger am Rand der Ebene von Nashika ihre letzten Stellungen. Der Befehl zum Angriff erfolgte vollkommen lautlos.
Es erklangen keine Hörner und auch keine Trommelwirbel, und niemand schrie stolz den Namen der Lady oder stieß einen anderen Schlachtruf der Acoma aus. Der Beginn der größten Auseinandersetzung um die Thronfolge in Tsuranuanni fand ohne jene Fanfaren statt, die gewöhnlich einen Krieg begleiteten.
Die einzige Warnung, die die Armee der Anasati erhielt, war das Stampfen Tausender von Füßen, als die Acoma-Streitkräfte angriffen. Dieses eine Mal genossen die Anasati nicht die Früchte von Chumakas überlegenem Netzwerk; auch er war zu dem naheliegenden Schluß gekommen, daß sich das Heer der Acoma auf einen Angriff im Morgengrauen vorbereiten würde.
Dann zerrissen Schwertgeklapper, Schmerzens-und Todesschreie die Nacht. Die Schlacht war hart und unbarmherzig. Bereits nach einer Stunde hatte sich der Boden in Schlamm verwandelt, rot und naß vom Blut der Gefallenen. Lujan und Irrilandi verfolgten abwechselnd das Geschehen von einem erhöhten Hügel aus, wo sie beim Licht mehrerer Laternen
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