Tag der Entscheidung
Markierungen auf dem Sandtisch verschoben, während Boten mit Berichten kamen und gingen. Befehle wurden erteilt und Formationen rückten vor, wurden wieder zurückgezogen und in die Enge getrieben. Boden wurde gewonnen und verloren und manchmal um den Preis unerträglich vieler Menschenleben zurückgewonnen. Auf der schmutzigen Erde unter dem Tisch sammelten sich die Markierungen, als der Kommandeur und sein Stellvertreter farbige Nadeln als Zeichen für die Verluste wegwarfen. Und die Verluste waren hoch, denn die Männer kämpften mit einer unglaublichen Wildheit; jeder von ihnen zog den Tod durch das Schwert dem Untergang in durch Magie erzeugten Flammen vor.
Abwechselnd ritten die beiden höchsten Offiziere Maras auf dem Cho-ja zu den Truppen, um ihre Moral zu stärken und, wenn notwendig, auch einmal selbst das Schwert zu ziehen und eine Formation im Kampf zu unterstützen.
Der Mond ging auf und tauchte das Schlachtfeld in kupferfarbenes Licht. Die Schlacht zerfiel jetzt in einzelne Gefechte, wo die Linien ausgedünnt waren. Die Männer schrien die Namen von Mara oder Jiro, um ihre Loyalität zu offenbaren, denn in der Dunkelheit vermischten sich die Farben der Rüstungen, und es war unmöglich, Freund und Feind voneinander zu unterscheiden. Die Schwerter färbten sich dunkel vom Blut, und die Krieger mußten darauf vertrauen, daß ihre antrainierten Fähigkeiten dem Hieb die richtige Richtung gaben; es war unmöglich, den blutverkrusteten Klingen mit dem Auge zu folgen.
Die Dämmerung brach an, gedämpft von Nebel und Staub. Die weite Ebene war mit Leichen übersät, die von den Kämpfenden zertrampelt wurden. Schwerter zerbrachen nach unzähligen Hieben und Paraden, während die von toten Kriegern in neuen Kämpfen wieder auftauchten.
Lujan stand gegen den Sandtisch gelehnt und rieb sich den Staub aus den Augen. »Sie haben mehr Leute verloren als wir, doch ich schätze, daß wir höchstens dreihundert Tote weniger zu beklagen haben als die Anasati.« Er spürte ein Brennen an seiner Hand, konnte sich jedoch nicht mehr an den Schwerthieb erinnern, der die Haut zerfetzt hatte. Lujan konzentrierte sich angestrengt auf den Sandtisch. Wenn die Zahl der Kämpfenden auch durch die Verluste immer mehr abgenommen hatte, so waren die Vorgänge auf dem Schlachtfeld – bedingt durch die unzähligen größeren oder kleineren Gefechte und Scharmützel – in den letzten Stunden doch immer komplexer geworden.
Er wandte sich wieder Irrilandi zu. »Wenn der Cho-ja bereit ist, eine weitere Aufgabe zu übernehmen, laßt Euch von ihm zu unseren westlichen Linien bringen. Zieht eine halbe Kompanie zurück und benutzt sie dazu, den Druck auf die Truppen unter Befehlshaber Kanaziro zu mildern.« Er deutete auf die Mitte der Front, wo das blutigste Gefecht stattfand.
Irrilandi salutierte und verschwand, um mit dem Cho-ja zu sprechen, und nach ein paar Worten huschte das Geschöpf mit dem Zweiten Kommandeur auf dem Rücken davon.
Lujan lehnte müde am Sandtisch. Er fragte sich, was Mara jetzt wohl machte: ob sie die Cho-ja-Tunnel sicher erreicht hatte, und wenn nicht, ob die Schwarzgewandeten sie überwältigt hatten. Möglicherweise würde er es nie erfahren. Vielleicht hatte Justin bereits den Mantel der Acoma geerbt, ohne daß einer der Berater etwas von dieser Veränderung ahnte. Das Ende mochte bereits gekommen sein, während auf der Ebene von Nashika immer noch Männer kämpften und sinnlos starben.
Solche Gedanken waren gefährlich, das Ergebnis von übermäßiger Anstrengung und Müdigkeit; Lujan zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder den farbigen Markierungen auf dem Tisch zuzuwenden und auf die Worte eines anderen Spähers zu lauschen, der von einer weiteren Veränderung im Kampf geschehen berichtete. Dieses Mal hatte Jiros Armee an Boden verloren. Doch schon in wenigen Minuten würden sie ihrerseits den Hügel wieder verlieren, wie es in dieser scheinbar unendlichen Nacht immer wieder der Fall war. Lujan erkannte am Schatten, den seine Hand warf, daß die Sonne jetzt ganz aufgegangen war und immer höher in den Himmel kletterte.
Er spürte eine Brise im Nacken, und nach einem kurzen Augenblick begriff er, daß der summende Klang in seinen Ohren keine natürliche Folge des Schlafmangels war. Er drehte sich um und sah wenige Schritte entfernt drei Männer in schwarzen Roben Gestalt annehmen.
Der jüngste trat forsch vor; das schmale Gesicht mit den hohen Wangenknochen wirkte sehr ernst. »Kommandeur«,
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