Tag der Entscheidung
seinen Schwertgriff fest umklammerte. »Obwohl die Götter allein wissen, warum der Lord der Anasati einen solchen Befehl geben sollte. Sein Heer kann unsere Streitkräfte nicht angreifen, ohne den Zorn der Schwarzen Roben auf sich zu ziehen.«
Lujan schaute abrupt auf. »Ich habe Neuigkeiten. Jiro hat erste deutliche Schritte unternommen, um den Thron in Kentosam zu besteigen. Auch wenn ich verflucht noch mal nicht begreife, wie die Nachricht so schnell von seinem Aufenthaltsort im Norden zum Kommandeur der Anasati gelangen konnte, der uns hier gegenübersteht.«
Der Kundschafter wischte sich den Schweiß vom Gesicht. »Das kann ich beantworten: Er hat Vögel.«
Lujan runzelte die Stirn. »Was?«
»Vögel«, beharrte der Späher. »Eingeführt aus Midkemia. Sie sind ausgebildet, mit einer zusammengerollten Nachricht an den Beinen zu einem bestimmten Ziel zu fliegen. Sie werden Tauben genannt. Unsere Bogenschützen haben zwei von ihnen abgeschossen, doch die anderen kamen durch.«
»Waren die Nachrichten verschlüsselt?« fragte Lujan, doch dann gab er sich selbst die Antwort. »Sie ließen sich mit keiner von Arakasis Dekodierungshilfen entschlüsseln!«
Der Anführer der Späher gab mit einem Nicken zu verstehen, daß der Kode der Anasati noch immer nicht entschlüsselt worden war.
Lujan zwang seinen schmerzenden Körper, ihm zu gehorchen, und stand auf. »Begleitet mich«, forderte er den Späher auf; dann wandte er sich an den diensthabenden Offizier. »Wenn Irrilandi eintrifft, soll er sich mit mir im Kommandozelt beim Sandtisch treffen.«
Die Düsternis im Pavillon bot keine Erleichterung; der Regen hatte aufgehört, doch jetzt schien die Sonne auf das Zelt aus Fellen und heizte die Luft so auf, daß es im Innern stickig war und dampfte. Lujan nahm den Helm ab. Er spritzte das restliche Wasser aus seinem Becher über das ohnehin schweißnasse Haar. Dann, während er sich salzige Tropfen von der Stirn wischte, trat er dicht an den Sandtisch heran. »Stimmen diese Angaben?« Er bezog sich auf die Reihen aus bunten Seidenfähnchen und Markierungssteinen, die die Truppen darstellten.
»Sie sind heute morgen auf den neuesten Stand gebracht worden«, erwiderte der Kundschafter.
Es wurde still im Kommandozelt. Von draußen drang das Geräusch der zum Appell antretenden Krieger herein; wie jeder gute Kommandeur im Kaiserreich lauschte auch Lujan ihren Aktivitäten, während sein Blick rasch und aufmerksam über den Sandtisch wanderte.
»Hier«, verkündete er, streckte seine schmutzigen Hände aus und ordnete ganze Kompanien auf einen Schlag neu an. »Die Ebene von Nashika. Dort werden wir auf ihn losgehen.«
Dem Kundschafter blieb vor Schreck der Mund offenstehen, und er wurde blaß. »Wir greifen Lord Jiro an? Kommandeur, was ist mit den Erhabenen?«
Lujan verrückte weiter die Markierungen. »Die Erhabenen können tun und lassen, was sie wollen. Doch wir haben den Befehl unserer Lady und werden angreifen. Wenn wir zögern oder sie enttäuschen, wird jeder Mann in dieser Armee ohne Haus sein – ein Grauer Krieger, von den Göttern verflucht.«
Die Zeltklappe wurde zurückgeschlagen, und in einer Staubwolke trat der Zweite Kommandeur Irrilandi ein. Der ältere Mann warf seine Handschuhe beiseite und trat gegenüber seinem Kommandeur auf die andere Seite des Sandtisches. Er nahm sich nicht die Zeit für eine Begrüßung, sondern ließ seinen Blick über die veränderte Aufstellung der Markierungen gleiten, ohne daß ihm etwas entging. »Wir werden also angreifen«, vermutete er dann. Wie immer wurde seine etwas abgehackte Sprechweise von einem fröhlichen Tonfall belebt. »Gut. Beim ersten Tageslicht, nehme ich an?«
Lujan schaute auf; seine ganze Haltung zeigte eine Härte, die bisher nur seine Lady ein einziges Mal gesehen hatte – kurz bevor er den Todeszirkel in Chakaha betreten hatte. »Nicht beim ersten Tageslicht«, korrigierte er seinen Zweiten Kommandeur. »Heute, sofort nach Einbruch der Dunkelheit.«
Irrilandi grinste schief. »Die Dunkelheit wird uns keinen Schutz bieten. Wir können die Erhabenen nicht täuschen.«
»Nein«, stimmte Lujan zu. »Doch wir haben möglicherweise die Befriedigung, soviel Anasati-Blut wie möglich vergossen zu haben, bevor der Tag anbricht. Sollen die Erhabenen doch herausfinden, was geschehen ist, wenn sie sich aus dem Schlaf räkeln und das Ergebnis unserer nächtlichen Aktivitäten betrachten.«
Irrilandi studierte den Sandtisch. »Die Ebene von Nashika?
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