Tag der Entscheidung
solcher Beziehungen zwischen Mann und Frau nicht trauen würde.
»Ja.« Mara wartete und wünschte, sie könnte die Augen schließen, um dieses Problem und alle anderen in tiefem Schlaf zu vergessen.
Aber Kamlios Bedürfnisse verhinderten dies. Sie zupfte nervös an den Fellen und wechselte abrupt das Thema. »Mylady, laßt mich nicht bei diesen Thuril zurück, ich bitte Euch. Wenn man mich zwingt, die Frau eines dieser Fremden zu werden, werde ich nie herausfinden, wer ich wirklich bin und welches Leben mich glücklich machen würde. Ich würde niemals die Bedeutung der Freiheit, die Ihr mir gegeben habt, verstehen können.«
»Hab keine Angst, Kamlio«, sagte Mara und verlor schließlich den Kampf gegen die überwältigende Erschöpfung. »Wenn ich dieses Land überhaupt wieder verlasse, nehme ich auch all diejenigen wieder mit, die mich begleitet haben.«
Als könne sie dieser Zusicherung getrost ihr Leben anvertrauen, griff Kamlio nach der Lampe und löschte das Licht. Daß das Mädchen danach keine vertraulichen Dinge mehr aussprach, konnte Mara nur vermuten, denn sie schlief bereits tief und traumlos in dem engen, nach Kräutern duftenden Alkoven.
Am nächsten Morgen wurden Lady Mara und ihre Dienerin freundlicher behandelt. Sie konnten in den Quartieren der Frauen ein Bad nehmen und bekamen danach ein Frühstück mit frischem Brot und Querdidrakäse. Kamlio wirkte blaß, aber gefaßt. Doch bemerkte Mara eine Zerbrechlichkeit an ihr, die, wie sie glaubte, eher von Besorgnis herrührte als von Bitterkeit. Rufe und Gelächter drangen vom Marktplatz herein, aber Mara konnte durch die verschmierten, lichtdurchlässigen Fenster aus eingefetteten Tierhäuten nicht erkennen, warum. Als sie die jungen Frauen fragte, starrten diese nur verständnislos. Ohne Ukata als Übersetzerin blieb ihnen nichts anderes übrig, als die einfache Mahlzeit höflich über sich ergehen zu lassen, bis eine Eskorte aus Hochländern zur Tür kam und die zwei tsuranischen Frauen aufforderte herauszukommen.
Kamlio wurde bleich. Mara tätschelte beruhigend ihre Hand, reckte das Kinn empor und ging hinaus.
Vor der Treppe wartete ein Wagen. Er hatte hohe, aus Weide geflochtene Seitenteile und wurde von zwei Querdidras und dem aufsässigen Esel gezogen. Sein graues Fell war vom Speichel der sechsbeinigen Tiere verdreckt, und er zerrte vergeblich an den Zuggurten, um sich zu rächen. Die Querdidras blinzelten mit ihren lächerlich langen Wimpern und verzogen die Lippen, als würden sie lachen.
Maras Krieger waren am Wagen festgebunden. Sie stanken nicht nach dem Mist, auf dem sie in der vergangenen Nacht geschlafen hatten, sondern waren sauber, wenn auch durchnäßt. Als Lujan seine Lady die Treppe herunterkommen sah, errötete er aus irgendeiner inneren Befriedigung, und Saric unterdrückte ein Lächeln. Das saubere Aussehen ihrer Krieger überraschte Mara, und als sie sich weiter umblickte, bemerkte sie, daß die Hochländer den Gefangenen eine gewisse Achtung entgegenbrachten.
Obwohl sie den Verdacht hatte, daß der Tumult, den sie im Haus gehört hatte, damit in Zusammenhang stehen könnte, blieb ihr keine Gelegenheit, sich danach zu erkundigen. Die thurilischen Krieger umringten sie und hievten Kamlio und sie über den hinteren Teil des einfachen Wagens in ein strohgedecktes Bett. Die Seitenteile waren zu engmaschig geflochten und reichten zu hoch, als daß Mara hätte hinausschauen können. Die Krieger befestigten die Klappe. Sie waren noch immer Gefangene und spürten den Ruck, als der Fuhrmann aufsprang und die Zügel nahm. Dann hörten sie die Räder quietschen, als er die Tiere mit dem Stachelstock vorwärts trieb.
Der Esel und die Querdidras waren ein schlechtes Gespann. Der Wagen schwankte und holperte über Rillen auf dem Boden, und das Stroh, das direkt aus dem Kuhstall eines gutwilligen Menschen geholt worden war, roch nach Vieh. Kamlio sah vor Angst ganz krank aus, und Mara befahl ihr, sich hinzulegen. Sie bot der jungen Frau ihre Überrobe an, denn der Wind trieb in kühlen Böen von den Höhen herunter. »Ich lasse dich hier nicht allein zurück, Kamlio«, versicherte sie. »Du bist nicht hierhergekommen, um die Frau eines groben Thuril zu werden.«
Zu unruhig, um stillzusitzen, lehnte sie sich gegen die Seite, neben der Lujan ging und fragte ihn, wieso die Krieger so naß waren.
Wie schon zuvor kümmerte es die thurilischen Wächter nicht, ob ihre Gefangenen miteinander sprachen. Lujan durfte sich den bemalten
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