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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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spürte den heißen Boden unter seinen Fersen und Erleichterung: Er hatte die äußerste Kante des Kreises erreicht. Wenn er sie überschritt, würde er sterben.
    Er würde ohnehin untergehen, doch vielleicht nicht ganz umsonst. Er konnte immer noch eine Aussage machen. Selbst als sein Gegner auf ihn zukam, um sein Leben zu beenden, verteidigte er sich wild und rief dem Cho-ja-Magier etwas zu, der sich als Schiedsrichter über ihm aufbäumte.
    »Ich bin nicht hierhergekommen, um zu töten! Ihr Cho-ja von Chakaha seid nicht die Feinde meiner Mistress, Lady Mara!« Chitin krachte gegen seine Klinge, als er, verzweifelt darum bemüht, gehört zu werden, wieder einen Schlag abwehrte. »Ich werde nicht länger gegen ein Wesen kämpfen, das sie zu ihrem Freund haben möchte.« Er verteidigte sich erneut, stürmte vor, um seinen Gegner kurzfristig zurückzutreiben, und in dieser halben Sekunde der Ruhe warf er sein Schwert angeekelt weg. Er wirbelte auf seinem gesunden Bein herum und wandte dem tödlichen Streich seinen Rücken zu.
    Vor ihm glühte die scharlachrote Linie des Kreises. Er war dankbar, daß er seine Position richtig gewählt hatte: Der Cho-ja-Krieger konnte nicht vor ihn treten, ohne den Bann zu zerstören und damit zu sterben. Wenn er töten wollte, mußte er also den Stoß eines Feiglings anwenden, den eines Mörders, und ihn von hinten abschlachten.
    Er holte bebend Luft, die Augen zum Cho-ja-Magier erhoben. »Stoßt dem in den Rücken, der Euer Freund und Verbündeter sein wollte, und führt Eure ungerechte Hinrichtung aus.«
    Lujan hörte das Pfeifen der sich zerteilenden Luft von dem scharfen Vorderarm des Cho-ja-Kriegers. Er verschränkte die Arme und bereitete sich auf den letzten, knochenzerschmetternden Hieb vor. Das Ende stand von vornherein fest. Zu diesem Zeitpunkt konnte ein Mann mit einem Schwert den blitzschnellen Streich nicht mehr aufhalten.
    Doch die Reflexe eines Cho-ja waren nicht menschlich.
    Die Klinge stoppte, reglos und ohne jedes Geräusch, eine Haaresbreite von Lujans Nacken entfernt.
    Der Cho-ja-Magier bäumte sich auf, die segelförmigen Flügel erhoben, als wäre er alarmiert. »Was ist das?« erklang es deutlich erstaunt. »Ihr brecht die Tradition der Tsuranis. Ihr seid ein Krieger, und doch gebt Ihr Eure Ehre auf?«
    Lujan zitterte jetzt, als das Nachspiel seiner Nerven und des Adrenalinanstiegs einsetzte, doch er brachte eine entschlossene Antwort zustande. »Was ist Tradition mehr als eine Gewohnheit?« Er zuckte steif mit den Schultern und fühlte das Brennen der Wunden. »Gewohnheiten, das kann Euch jeder Mensch sagen, können geändert werden. Und wie jeder Tsurani Euch sagen wird, liegt keine Ehre darin, einen Verbündeten zu töten.«
    Blut tropfte in sein linkes Auge und behinderte seine Sicht. Er konnte nicht erkennen, ob Mara seine Geste befürwortete. Einen Augenblick später spielte es keine Rolle mehr, denn das Blut verließ in einem wilden Rauschen seinen Kopf. Sein verwundetes Knie gab nach, und er wurde bewußtlos und fiel mit einem knirschenden Krachen seiner Rüstung auf den Boden. Der rote Kreis löste sich in vielen kleinen Blitzen auf, und der große Kuppelraum verschwand.

    Lujan wachte mit großen Schmerzen auf. Er keuchte und öffnete die Augen. Der Kopf eines Cho-ja war nur wenige Zentimeter von seinem eigenen entfernt. Er lag auf etwas, das sich wie eine Couch anfühlte. Spitze, klauenähnliche Fortsätze griffen nach den Wunden an seinem Unterarm und der Hüfte, und aus dem Prickeln, das sich wie eine Nadel anfühlte, schloß er, daß er von einem Cho-ja zusammengenäht wurde.
    Wenn auch die medizinischen Fähigkeiten dieser Kreaturen außerordentlich waren und sie sorgfältige, gute Arbeit leisteten, hatten sie wenig Erfahrung darin, sie bei Menschen anzuwenden. Lujan entschied, daß ihr Wissen auf dem Gebiet der Anästhesie deutlich zu wünschen übrigließ. Selbst auf dem Feld hätte er Alkohol erhalten, um den Schmerz einzudämmen.
    So dauerte es einen Augenblick, bis er die zweite, angenehmere Empfindung erkannte – kleine, warme Finger, die die Hand seines unverletzten Arms hielten.
    Er drehte den Kopf. »Mara?«
    Sie lächelte ihn an. Sie war den Tränen nahe, sah er, doch vor Freude, nicht vor Kummer. »Was ist geschehen, Mylady?«
    Erst jetzt begriff er, daß sie nicht länger in dem Kuppelraum waren, auch nicht in ihrem engen Gefängnis, sondern in einem wunderschön hergerichteten Zimmer hoch oben im Turm. Ein Fenster hinter Mara gab den

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