Tag der Entscheidung
Arbeitszimmer voller Bücher und Pergamentrollen, das beherrscht wurde von einem Samowar aus hartgebranntem Ton, einem Stück von fremder Kunstfertigkeit und fremdem Ursprung, und umfaßte mit knöchernen Fingern eine Teetasse. Er hatte seine Liebe für die midkemischen Feinheiten in ihren vielfältigen Formen entdeckt, und Diener hielten die Kohlenpfanne unter dem Samowar Tag und Nacht am Brennen. Die Kissen, auf denen der Erhabene thronte, waren so dünn wie sein asketischer Geschmack. Vor ihm stand ein niedriger dreibeiniger Tisch, in dessen Oberfläche ein Sichtkristall eingelassen war, durch das Bilder von den sich rüstenden und Aufstellung beziehenden Kriegsheeren tanzten. Es zeigte Mara und Hokanu in einer Besprechung mit ihren Beratern, gefolgt von Jiro, der heftig gestikulierend einem zögernd wirkenden Omechan-Lord etwas zu erklären versuchte.
Shimone seufzte. Seine Finger klopften einen schnellen Rhythmus gegen die Teetasse.
Doch es war Fumita, der beinahe unsichtbar in den Schatten ihm gegenüber saß, der das Offensichtliche aussprach. »Sie können niemanden zum Narren halten, am wenigsten uns. Sie alle warten, daß die andere Seite den ersten Schritt tut, um dann, wenn wir auftauchen, aus vollstem Herzen sagen zu können: ›Wir verteidigen uns ja nur.‹«
Keiner der Magier äußerte sich zu der traurigen, aber eindeutigen Schlußfolgerung: daß trotz ihrer persönlichen Billigung von Maras radikalen Ideen die vorherrschende Meinung der Versammlung gegen sie sprach. Die Acoma und die Anasati hatten die Kriegshörner erschallen lassen. Es war egal, ob Mara oder Jiro ihre Standartenbanner offiziell entrollten oder nicht, ob sie ihre Intentionen formal angekündigt und den Priester des Kriegsgottes darum gebeten hatten, das Steinsiegel des Tempels von Jastur zu zerstören – alle bis auf die Splittergruppen nahmen ihren Anfang auf eine gewisse Weise bei den Anasati oder Acoma. Die Versammlung der Magier würde unvermeidlich gezwungen sein zu handeln. In der angestrengten Stille, die zwischen Fumita und Shimone herrschte, erklang ein Summen von der anderen Tür. Ein schweres Donnern und schnelle Schritte folgten, und schon machte sich jemand am Holzriegel zu schaffen.
»Hochopepa«, sagte Shimone, die tiefen Augen scheinbar träge halbgeschlossen. Er setzte seine Tasse ab, machte eine kurze Handbewegung, und die Bilder im Kristallglas wurden trübe und verschwanden.
Fumita erhob sich. »Wenn Hocho in Eile ist, kann dies nur bedeuten, daß sich genügend von uns versammelt haben, um ein Quorum durchzuführen«, mutmaßte er. »Wir sollten ihn in die große Halle begleiten.«
Die Tür zu Shimones Privatgemächern öffnete sich quietschend, und ein rotgesichtiger Hochopepa schob sich ins Zimmer. »Ihr beeilt euch besser. Einer der Hitzköpfe unten im Rat schlug gerade vor, die Hälfte der Provinz Szetac in Schutt und Asche zu legen.«
Fumita schnalzte mit der Zunge. »Kein Unterschied zwischen den speertragenden Kriegern und den Bauernfamilien, die vor den Armeen fliehen?«
Hochopepa zog die Wangen ein, als er einatmete. »Keiner.« Er trat zurück, drängte zur Tür und winkte seinen Kameraden, ihm zu folgen. »Und um es noch schlimmer zu machen: Was du gerade sagtest, war das einzige Argument, das die Entscheidung zurückhielt. Sonst wäre irgendein Narr genau in diesem Augenblick da unten und würde alles in Sichtweite in Asche verwandeln!« Er wandte sich zur Halle, ohne darauf zu achten, ob die anderen ihm folgten.
Inzwischen war Fumita durch die Tür und dem korpulenten Magier dicht auf den Fersen. »Nun, ich denke, wir haben die Einbildungskraft, ein paar mehr Hindernisse zu erfinden und sie ein Weilchen länger aufzuhalten.« Er warf einen mahnenden Blick zurück über die Schulter auf Shimone, der sich manchmal genauso zögernd bewegte, wie er Worte benutzte. »Es geht nicht anders, mein Freund. Dieses Mal wirst du genausoviel sprechen müssen wie wir, um unserer Sache zu dienen.«
Der asketische Magier riß die Augen auf, und seine Augen glühten bei dem Affront. »Sprechen ist eine ganz andere Sache, was den Energieaufwand betrifft, als leeres Gerede.«
Als der dünne Magier seinen Blick auf den beleibten Anführer der Gruppe richtete, schien jetzt Hochopepa derjenige zu sein, der beleidigt war. Doch ehe er eine hitzige Antwort zu seiner Verteidigung fand, schob Fumita ihn weiter. »Spart eure Energie«, sagte er und verbarg ein Grinsen hinter seiner ernsten Stimme. »Unsere
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